: Im Dienste der Sache
NACHRUF Heinz Ludwig Arnold ist tot
Niemand, der mit Literaturwissenschaft zu tun hat, konnte dem Germanisten Heinz Ludwig Arnold ausweichen. Vielen Studenten und Literaturliebhabern sind das „Kritische Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“, kurz „KLG“, die Heftreihe „Text + Kritik“ und schließlich „Kindlers Literatur Lexikon“, das Arnold neu konzipierte, zeitlebens gute Wegbegleiter gewesen. Und Arnold war auch derjenige, der in der Redaktion der von ihm angestoßenen Großunternehmungen bis zuletzt tätig war.
Arnold war als junger Mann Sekretär Ernst Jüngers gewesen, war mit vielen Autorinnen und Autoren der Gegenwartsliteratur eng befreundet, doch manchmal auch zerstritten. Er interessierte sich für die Person, die hinter einem Buch stand, so sehr wie für das Werk. Sehr selten verstellte ihm daher die Autorenfigur den Blick auf das eigentlich Literarische. Doch war es ihm vor allem um dieses eigentlich Literarische zu tun. Er war ein unermüdlicher Literaturagent, ein Autor im Dienste der Sache, er vertrat und kämpfte für die Bücher, die er liebte. Daneben schrieb er fast unerlässlich, und obschon sein gewaltiger Output irritiert, stammte alles von ihm selbst. Arnold war keiner der Professoren, die die Arbeit ihrer Helferinnen und Helfer zum eigenen Wohle ausbeuten. Ihm war wohl, wenn es der Literatur gut ging, daher setzte er sich für die Popularisierung der Literatur ein – nicht aber für populistische Literatur.
Ich bin ihm nie begegnet, doch hatte ich eine E-Mail-Korrespondenz mit ihm, die mir charakteristisch scheint. Ich setze mich seit einigen Jahren für meinen Autor Rudolf Lorenzen ein, der, obschon von Jörg Fauser oder Walter Kempowski als Vorbild gelobt, in der Germanistik weithin unbekannt ist. So wandte ich mich auch an Arnold, in der Hoffnung, einen „KLG“-Eintrag für Lorenzen zu bekommen. Arnold antwortete persönlich, lehnte jedoch ab – wenn der Autor wirklich gut sei, dann kenne man ihn auch, schrieb er. Dass man einen Autor nicht kenne, sage nichts über seine Qualität, antwortete ich, Nämliches hätte er Anfang der zwanziger Jahre auch über Kafka sagen können. Das war patzig. Doch Arnold imponierte das Engagement – er erbat sich Prüfexemplare von Lorenzens Büchern. Nun ist Lorenzen im „KLG“ vertreten. Dass ein solch verdienter Macher sich Betriebsblindheit vorwerfen ließ – und den Vorwurf annahm –, zeichnet den Macher aus. Es zeigt, dass sein Bemühen um die Literatur wahrhaftig war.
Am Montagmorgen verstarb Heinz Ludwig Arnold 71-jährig nach schwerer Krankheit. Er wird lange nachwirken.
JÖRG SUNDERMEIER
■ Der Autor ist Verleger des Berliner Verbrecher Verlags