piwik no script img

Illegale Häuser in WestjordanlandKnesset watscht Siedler ab

Das Parlement in Jerusalem stimmt für den Abriss von fünf Häusern in der Siedlung Bet El im Westjordanland. Die sind auf privatem palästinensischen Grund errichtet worden.

Diese israelischen Häuser in Bet El müssen abgerissen werden. Bild: dpa

BET EL taz | Die fünf umstrittenen Häuser im Ulpana-Viertel der israelischen Siedlung Bet El werden abgerissen. Mit einer klaren Mehrheit von 69 zu 22 Stimmen entschieden die Abgeordneten der Knesset in Jerusalem am Mittwoch gegen einen Gesetzentwurf, der den Bau der Häuser nachträglich legalisiert hätte.

Regierungschef Benjamin Netanjahu verpflichtete die Minister zu diesem Votum und drohte, sie andernfalls von ihren Posten zu entbinden. Selbst Außenminister Avigdor Lieberman, der vor kurzem noch die Regierung verlassen wollte, falls Ulpana geräumt werde, gab am Ende klein bei. Damit wird Ulpana, entsprechend dem Urteil des Obersten Gerichtshofs, bis Ende des Monats den Bulldozern zum Opfer fallen.

Die fünf umstrittenen Häuser werden an anderer Stelle in Bet El wiederaufgebaut, außerdem sollen 300 neue Wohneinheiten errichtet werden. Der Regierungschef versprach zudem, für einen “Mechanismus“ zu sorgen, der künftige Klagen palästinensischer Grundstücksbesitzer ausschließt.

Die umstrittenen Häuser von Ulpana stehen auf privatem palästinensischem Grund. Schon im Oktober 2008 war die israelische Menschenrechtsorganisation „Jesch Din“ („Es gibt ein Recht“) zusammen mit den Eigentümern vor Gericht gezogen, um den Abriss der damals noch unbewohnten Neubauten zu bewirken. Im Mai 2011 entschied der Oberste Gerichtshof, dass das Grundstück innerhalb von einem Jahr von den illegalen Bauten geräumt werden muss.

„Es ist ein Präzidenzfall“, sagt Harbi Hassan, einer der beiden Grundbesitzer aus dem benachbarten palästinensischen Dorf Dura. „Zum ersten Mal klagt ein Palästinenser auf dem Rechtsweg den Anspruch auf sein Land ein.“

Kein Zutritt

Der heute 71-jährige pensionierte Lehrer erinnert sich an seine Großeltern, die Weintrauben anbauten, bevor die Armee das Land für Jahrzehnte konfiszierte. „Die Bauern konnten nur jeweils an Samstagen zu ihren Bäumen.“

Knapp 30.000 Quadratmeter Land gehörten seiner Familie. Der gewonnene Prozess bedeutet für Hassan noch nicht, dass er das zurückgewonnene Land wieder nutzen darf. Trotzdem sei es wichtig, dass jetzt auch andere Palästinenser ihren Besitzanspruch vor Gericht durchsetzen.

„Den Leuten von Dura gehört der ganze Berg“, sagt er und meint damit die komplette Siedlung Bet El, in der heute über eintausend Familien leben.

Nur fünf Häuser

Die israelischen Demonstranten, die aus Solidarität mit den Leuten aus dem Ulpana-Viertel nach Jerusalem zogen, wissen, dass es früher oder später auch sie selbst treffen kann.

„Hier geht es ums Prinzip“, schimpft die 15-jährige Tehila, die zusammen mit ihren Klassenkameradinnen aus einer orthodoxen Mädchenschule an dem Protestmarsch teilnahm. Dass nur fünf Häuser zur Debatte stehen, spiele dabei keine Rolle. „Wir haben Yamit (Sinai) aufgeben und den Gazastreifen, wenn wir den Prozess jetzt nicht stoppen, wird es immer weitergehen.“

Man dürfe das von Gott gegebene Land nicht aufgeben. Das „Land Israel“ (alttestamentarisches Palästina) gehöre den Juden, so beten Tehila und ihre Freundinnen das Mantra der Siedler herunter. “Das kriegen die Araber nicht.“

Kampf gegen den Abriss

Völlig klar, dass die Sicherheitskräfte diesmal „nicht so ein leichtes Spiel haben werden wie bei dem Abzug aus Gaza“, sagt Zvi Barish, der wie Tehila im alten Teil von Bet El wohnt.

„Wir werden als menschliche Schutzschilder gegen den Abriss kämpfen“, sagt er. Wie dieser Kampf genau aussehen soll, will er nicht sagen. „Sehr hartnäckig“, sagt er, doch Gewalt schließt er aus.

Auch Baruch Kitay, der noch in der Hochzeitsnacht mit seiner Frau Michal vor zweieinhalb Jahren nach Ulpana zog, will von Netanjahus Kompromissen nichts hören.

„Allein der Gedanke daran, wegzuziehen, ist absurd“, sagt der junge Familienvater, der erst vor wenigen Jahren aus Australien einwanderte. Bis Ende des Monats wird er seinen Hausstand in Kisten packen müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • J
    Jaakov

    "Das Parlement in Jerusalem stimmt für den Abriss von fünf Häusern in der Siedlung Bet El im Westjordanland. Die sind auf privatem palästinensischen Grund errichtet worden." (taz vom 6. 6. 2012).

    Soviel zu der Behauptung, Israel würde palästinensisches Land rauben.

  • BO
    best of

    @ Wolf:

    >>Die haben 1948 mit Hilfe von Militäreinsatz der Briten sich völkerwiderrechtlich in Palästina Land genommen.

  • R
    Rozenbaum

    Israel läßt aber auch wirklich keine Möglichkeit aus immer mehr Hass zu züchten in Palestina. Irgendwann wird dieser Hass fürchterlich zurückschlagen.

     

    Herr Netanjahu hat noch nicht begriffen, dass die Zeiten vorbei sind in denen israelisches Regierungsgebaren zu 100% durch die USA gedeckt sind. In großer Verblendung sieht seine Regierung nicht, dass sich der gesamte Nahe Osten dramatisch wandelt und es besser wäre sich seinen Nachbarn allmählich freundlich zu nähern.

  • V
    vic

    "für einen “Mechanismus“ zu sorgen, der künftige Klagen palästinensischer Grundstücksbesitzer ausschließt."

     

    Über diesen "Mechanismus" würde ich gerne mehr erfahren.

    Immerhin, es ist ein Wunder, dass geklautes Land zurückgegeben und pro-palästinensch entschieden wurde.

    Liegt`s an der U-Boot Debatte?

  • S
    Senckbley

    Zitat I.Q.:

    "dass der Zionistenstaat es … für legitim hält, dort zu siedeln, wo man in Deutschland von Staats-, Kommunal- und Landeseigentum sprechen würde, also dem öffentlichen palästinensischem Land in den 1967 zusätzlich von „israel“ besetzten Gebieten."

     

    Sie haben wieder einmal nichts begriffen.

    Es gab vor 1967 keinen legitimen „Eigentümer“, keine legitime Instanz im sogenannten Westjordanland. Über 20 Jahre lang hatte Jordanien dieses Gebiets besetzt und dabei alles zerstört, was an früheres jüdisches Leben erinnerte, selbst Friedhöfe. Davor war das Westjordanland Teil des britischen Mandats, also nur provisorisch „treuhänderisch“ verwaltet.

    Sehen Sie es doch einfach mal ein: Palästina ist der Name einer römischen Provinz.

  • TT
    Thomas Trasolt

    Die fünf umstrittenen Häuser werden an anderer Stelle in Bet El wiederaufgebaut, außerdem sollen 300 neue Wohneinheiten errichtet werden. Der Regierungschef versprach zudem, für einen “Mechanismus“ zu sorgen, der künftige Klagen palästinensischer Grundstücksbesitzer ausschließt.

     

    "Abwatschen" sieht anders aus..

     

    Ich hoffe, die Palästinenser werden auch irgendwann von Israel "Wiedergutmachung" erhalten, so wie die Juden von Deutschland.

  • T
    tintendrucker

    Arme, um den Weltfrieden besorgte Deutsche, durften keine Opfer sein; ja, die Shoa, sowas Ärgerliches aber auch: da bleibt hier nur mit Zvi Rex zu kommentieren: "Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen."

  • W
    Wolf

    Was sind das nur für nationalistische Politheinis.

     

    Die haben 1948 mit Hilfe von Militäreinsatz der Briten sich völkerwiderrechtlich in Palästina Land genommen.

     

    Einfach nur wiederlich und wenn sich die Einstellung

    gegenüber Palistinänsern dort nicht bald ändert, wird es niemals Frieden geben !

  • E
    e.a.

    Irgendjemand sagte mal, aufgrund des Holocaust müssen wir uneingeschränkt Netanjahu bei allem unterstützen, was er macht, egal was.

  • R
    R.J

    Die israelische Regierung kann sich solche Scheindarbietungen von “Härte gegen Siedler“ leisten, denn zur Verbreitung ihrer Propaganda und zur Finanzierung ihres „Abschreckungspotentials“ steht auch eine Bundesregierung bereit.

     

    Da bleibt sogar noch Geld übrig, um den Gazastreifen wieder mit Bombenabwürfen zu belegen, wobei zum wiederholten mal eine „terrorverdächtige“ Hühnerfarm getroffen sein worden soll, deren vergehen wohl darin besteht, „Terroristen“ mit Hühnereiern und -fleisch versorgt zu haben.

     

    Wer sich dann noch die Siedlerkommentare anschaut, der weiß welch herrliches Disneyland für ihre Vorstellungen der Nahe-Osten diesen im Grunde bedauerlichen, aber dennoch gefährlichen Menschen (zumindest für Palästinenser), bietet.

     

    „Räson“ hat das was mit Verstand zu tun?

  • V
    viccy

    Eine gute Aktion von Israel. So bekommt man Sympathien und das abgenudelte Wort, das mit "Anti-" beginnt, nimmt keiner in den Mund, alle sind zufrieden. Mehr davon wäre wünschenswert.

  • M
    MondoPrinte

    Arme Palästinenser, nicht nur Besatzung und Siedlungsbau setzen ihnen zu, sondern auch "Freunde" wie I.Q.. Oder ist dessen Kommentar als Satire zu verstehen?

  • IQ
    I. Q

    Dem ist noch hinzuzufügen, Netanjahu will auch bei der Umsetzung der Siedler wieder gegen das Besatzungsrecht verstoßen, dass sich der Kolonistenstaat selbst gegeben hat.

    Denn für die Umsiedlung der illegalen Siedler soll nun auf militärischen Gelände gebaut werden, das nur deshalb zur „Verfügung“ steht, weil eben für den „militärischen Zweck“ weiterer, privater palästinensischer Besitz enteignet wurde.

     

    Der normale Leser muss sich überdies vor Augen halten, dass der Zionistenstaat es nach dem von ihm geschaffenen Besatzungsrecht für legitim hält, dort zu siedeln,

    wo man in Deutschland von Staats-, Kommunal- und Landeseigentum sprechen würde, also dem öffentlichen palästinensischem Land in den 1967 zusätzlich von „israel“ besetzten Gebieten.

     

    Dazu passt, dass Netanjahu auch seine Nebelkerzen in der „Bild“ werfen darf, wo er weiterhin auf der Vorbedingung, weiter völkerrechtswidrig siedeln zu dürfen beharrt, nicht seine Forderung zurücknahm, nach der die Fatah mit der Hamas keine Einheitsregierung bilden dürfe, und auch sonst noch einiges an Forderungen zu unterbreiten wusste,

    wobei aber die Botschaft für den „Bild“leser und die bundesdeutsche Öffentlichkeit sein sollte, er. Netanjahu, wolle sofort zu „Friedensgesprächen“ ohne „Vorbedingungen“ antreten.

     

    Wo aber ist das Nah-Ost-Quartett bei alledem abgeblieben, die BRD mit ihrem Bemühen, die UN-Mitgliedschaft eines Palästinenserstaates zu verhindern,

    damit die palästinensische Führung weiterhin sich mit den Netanjahus rumschlagen muss und nicht völkerrechtlich aktiv werden kann?

     

    Bei der BRD ist es klar, auf der Seite und hinter dem Einwandererstaat bei seinem völker- und menschenrechtswidrigem Vorgehen, dass seit Jahrzehnten andauer.