Illegale Enthüllung von Amtsgeheimnissen: Neues Verfahren gegen Berlusconi
Silvio Berlusconis Umfragewerte sind auf einem historischen Tiefststand angelangt. Darüber hinaus droht Italiens Regierungschef ein weiterer Prozess.
ROM dpa/afp | Dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi droht ein fünfter Prozess - wegen Beihilfe zur Veröffentlichung von abgehörten Telefongesprächen in einer Wirtschaftssache. Die Mailänder Ermittlungsrichterin Stefania Donadeo wies am Donnerstag die Staatsanwaltschaft an, den Medienzar und Milliardär wegen der "Enthüllung von Amtsgeheimnissen" anzuklagen, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Verwickelt in den Fall ist auch der bereits angeklagte Bruder des Regierungschefs, Paolo Berlusconi, der Passagen der Gespräche in seiner Zeitung "Il Giornale" abdruckte.
In dem sechs Jahre zurückliegenden Fall geht es um die Übernahme der Banca Nazionale del Lavoro. In dem abgedruckten Gespräch soll der Linkspolitiker Piero Fassino den damaligen Präsidenten der Unipol, Giovanni Consorte, in seinem Versuch einer Übernahme ermutigt haben. Die Versicherungsgesellschaft Unipol steht der Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) nahe. Consorte wurde dann wegen Insiderhandel in dem Übernahmeverfahren verurteilt. Im Zuge der Ermittlungen in der Sache waren offensichtlich die Gespräche Fassinos abgehört worden und dann an den politischen Gegner der italienischen Opposition gelangt.
Die Staatsanwälte hatten ihre Untersuchung über eine mögliche Verwicklung Silvio Berlusconis bereits eingestellt. Die Richterin verwarf jedoch in einer von italienischen Medien als "ungewöhnlich" beschriebenen Entscheidung die Schlüsse der Staatsanwälte. Sie geht davon aus, dass genügend Anhaltspunkte für eine Anklage vorliegen. Ein weiterer Richter wird bestimmen müssen, ob es zum Prozess kommt.
Der innenpolitisch angeschlagene Berlusconi sitzt noch in vier Verfahren persönlich auf der Anklagebank. Dazu zählen der Prozess wegen Sex mit dem damals minderjährigen Callgirl "Ruby Rubacuori" und wegen Amtsmissbrauchs sowie der Korruptionsprozess um den britischen Anwalt David Mills. Berlusconi hat immer betont, er sei in allen Fällen unschuldig und das Opfer linker Staatsanwälte und Richter.
Nie war Berlusconi unbeliebter als heute
Währenddessen hat Berlusconi hat in der eigenen Bevölkerung so wenig Rückhalt wie nie zuvor. In einer am Donnerstag in der linksgerichteten Zeitung La Repubblica veröffentlichten Umfrage gaben nur 24 Prozent der Befragten an, "viel" oder "recht viel" Vertrauen in den Ministerpräsidenten zu haben. Das ist ein historischer Tiefstand für Berlusconi. Im Juni hatte der Anteil noch bei 29 Prozent gelegen. Jetzt gaben 64 Prozent der Befragten an, "wenig" oder "gar kein" Vertrauen in Berlusconi zu haben. Im Juni lag dieser Wert bei 60 Prozent.
Berlusconi zahlt damit offenbar den Preis für zwei von seiner Regierung beschlossene Sparpakete, die mit harten Einschnitten zu einer Sanierung des Haushalts führen sollen und bei der Bevölkerung äußerst unbeliebt sind. Italiens 74 Jahre alter Regierungschef muss sich zudem in gleich mehreren Verfahren vor Gericht verantworten, zugleich reißt die Serie von peinlichen Enthüllungen zum Privatleben Berlusconis und zu von ihm gemachten Äußerungen nicht ab. So wurden Anfang des Monats Äußerungen Berlusconis in einem abgehörten Telefonat publik, in dem er Italien als "Scheißland" bezeichnete.
Auf dem Höhepunkt seiner Popularität war Berlusconi im Oktober 2008: Damals erreichte er Zustimmungswerte von 62 Prozent. Für die am Donnerstag in La Repubblica veröffentlichte Umfrage befragte das Meinungsforschungsinstitut IPR Marketing tausend Italiener.
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