: Iliescu schwor auf die Demokratie
■ Der umstrittene Politiker als rumänischer Staatspräsident vereidigt / Petre Roman ist Ministerpräsident Neue Verhaftungen / Iliescu spricht erneut von „echtem Aufstand“, kritisiert aber auch die Schlägertrupps
Bukarest (ap) - Wenige Tage nach den von ihm heraufbeschworenen gewaltsamen Ausschreitungen gegen Demonstranten in Bukarest hat der rumänische Staatspräsident Ion Iliescu am Mittwoch den Amtseid abgelegt. Unmittelbar nach der Feier ernannte er den bisherigen Interimspremier Petre Roman zum Ministerpräsidenten seiner neuen Regierung. Bei der feierlichen Amtseinführung in der rumänischen Hauptstadt bezeichnete Iliescu die Unruhen der vergangenen Woche erneut als einen „echten Aufstand, einen organisierten Coup zur Diskreditierung der rechtmäßigen und demokratisch gewählten Führung des Landes“.
Seinen überwältigenden Wahlsieg Mitte Mai bei den ersten freien Wahlen nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur bezeichnete der 60jährige als „grundsätzliche und endgültige Entscheidung für Demokratie“. Iliescu schwor, die Demokratie sowie die menschlichen Grundrechte und -freiheiten zu verteidigen, und verurteilte „extremistische politische Gruppen“, die gemäß einem „Destabilisierungsplan organisiert“ seien.
Die feierliche Amtseinführung Iliescus war ursprünglich für die vergangene Woche angesetzt. Der blutige Polizeieinsatz gegen protestierende Demonstranten und die von Iliescu entfesselten Knüppeljagden herbeigeschaffter Bergarbeiter auf Oppositionelle führten jedoch zu einer Verlegung der Feier. Der Staatspräsident hatte mit Bezug auf die Demonstranten unter anderem zur „Liquidierung der Nazi -Rebellion“ aufgerufen.
Gestern übte Iliescu auch Kritik am Vorgehen der Bergarbeiter. Diese seien „in öffentliche Gebäude, Parteisitze und Privatwohnungen eingedrungen“ und hätten auch Unschuldige mißhandelt. „Wir distanzieren uns ohne wenn und aber von Vorfällen, die den gesetzlichen Rahmen sprengten“, erklärte Iliescu. Regierung und Parlament hätten eine Untersuchung der Vorfälle eingeleitet. Vorwürfe, wonach seine Regierung die Unterdrückung der Opposition bezweckt habe, bezeichnete Iliescu dabei als „nicht nur unvernünftig, sondern auch unbegründet und unwahr“.
Seit Montag hat die Regierung eine Reihe führender Oppositionsvertreter unter dem Vorwurf der Aufwiegelung und Sachbeschädigung verhaften lassen. Nach Angaben des Innenministeriums zählen dazu der Studentenführer Marian Munteanu, der Sprecher der Besetzer des Universitätsplatzes Dumitru Dinca und der Vorsitzende der Nationaldemokratischen Partei, Nica Leon. Die Europäische Gemeinschaft hat wegen der Vorgänge in Bukarest das geplante Handels- und Kooperationsabkommen mit Rumänien für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Siehe auch Seite 8
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