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■ Iliescu bricht mit rechtsextremem KoalitionspartnerNoch kein Signal Richtung Europa

Es könnte für Rumänien das bedeutendste innenpolitische Ereignis der letzten Jahre sein: Staatspräsident Ion Iliescu und seine „Partei der sozialen Demokratie“ vollziehen den Bruch mit der neofaschistischen „Großrumänien-Partei“. Es könnte das Signal in die richtige Richtung sein: Rumäniens Machthaber lösen sich von Extremisten, die das Land in die Isolation treiben, verzichten auf eine nationalistische Hysterie, die der Ablenkung von realen Problemen dient, und beschreiten, wenn auch langsam, den Weg zu wirtschaftlichen Reformen und einer zivilen Gesellschaft. Es könnte, aber es ist nicht das Signal zum Aufbruch Rumäniens aus dem nationalistisch-neokommunistischen Sumpf. Jedenfalls noch nicht.

Tatsächlich haben Staatspräsident Ion Iliescu und seine Regierungspartei den Bruch mit der extremsten aller drei extremistischen Koalitionspartner aus einem durchsichtigen Kalkül heraus entschieden. Der Preis, den Rumänien für eine solche Koalition und eine stabile Parlamentsmehrheit bezahlen mußte, bestand in einer bereits greifbar nahen außenpolitischen Isolation. Innenpolitisch war ein Bruch mit der „Großrumänien-Partei“ bisher zu riskant. Ihr wüster Politikstil mußte nicht etwa in immer neuen antisemitischen Kampagnen und Forderungen nach einer Militärdiktatur, sondern in einer grotesken öffentlichen Hinrichtungsdrohung an den Staatspräsidenten gipfeln, um den einflußreichen Nationalisten aus Iliescus eigener Regierungspartei die Argumente gegen einen Bruch aus der Hand zu nehmen.

Auch sonst sind die Rahmenbedingungen des Bruches erst jetzt günstig: Nur noch ein Jahr bis zu den nächsten Wahlen, die „Partei der sozialen Demokratie“ liegt in Umfragen weit vor allen anderen Parteien, die Opposition ist mehr denn je gespalten.

Damit aus dem Kalkül ein Signal zum Aufbruch Rumäniens nach Europa wird, bedürfte es viel mehr. Noch sind in der Regierungskoalition zwei weitere extremistische Parteien vertreten. Gerade erst hat eine Parlamentsmehrheit antidemokratische Gesetze gegen die Presse, gegen Homosexuelle und ethnische Minderheiten verabschiedet. Die Möglichkeit, das rückgängig zu machen, haben Iliescu und seine Partei noch nicht genutzt. Keno Verseck, Bukarest

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