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Ideenwettbewerb Tempelhofer FeldStoisch in den Untergang

Der Senat gib 3 Millionen Euro für einen verkorksten Ideenwettbewerb für eine Bebauung des Tempelhofer Feld aus. Nun trat die Jury erstmals zusammen.

Ein Gewitter zieht auf Foto: dpa

Berlin taz | Am Freitag und Samstag traf sich eine elfköpfige Jury, um 20 Vorschläge zur Zukunft des Tempelhofer Felds auszuwählen. Nach Angabe der Senatsverwaltung waren 160 Ideenskizzen eingegangen. Im Sommer soll das Gremium fünf Gewinner ermitteln – was daraus werden soll, ist unklar.

Geleitet wird die Jury von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeld. Ansonsten besteht sie einerseits aus deutschen und internationalen Fachleuten, darunter Kopenhagens Stadtarchitektin für Klimaschutz und die Landschaftsarchitektin Maren Brakebusch.

Auf der anderen Hälfte der Stühle sitzen fünf Teilnehmende des sogenannten Dialogprozesses, den der SPD-Senator für Stadtentwicklung Christian Gaebler im vergangenen September stattfinden ließ. 275 zufällig ausgewählte Ber­li­ne­r:in­nen waren dazu eingeladen – ein repräsentativer Querschnitt, was Alter, Wohnbezirk, Geschlecht und einige weitere Kriterien angeht.

Zum Verdruss der CDU-SPD-Landesregierung endete der Workshop ganz klar mit dem Votum: „Wir empfehlen aus klima- und naturschutzfachlicher Sicht keine Bebauung.“ Das „Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes“, das auf einen Volksentscheid 2014 zurückgeht, solle weitergelten.

Voller Widersprüche

Die erneute klare Ansage aus der Bevölkerung hielt den Senat nicht davon ab, das Verfahren fortzusetzen. Dessen Kosten belaufen sich auf etwa 3 Millionen Euro. Die Ausschreibungsunterlagen sind in sich widersprüchlich, weil sie sowohl eine „behutsame Randbebauung“ erwähnen als auch die Beachtung der Ergebnisse aus dem Dialogprozess fordern.

Schon vor einer Weile hatte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) eine Volksabstimmung „von oben“ zum Tempelhofer Feld parallel zur nächsten Berliner Wahl 2026 angekündigt. Vergangene Woche bekam er Rückenwind von Kanzlerkandidat Friedrich Merz: „Wenn die Bürgerinnen und Bürger sich weigern, dann muss die Politik bereit sein, auch gegen den erklärten Willen der Nachbarschaft zu sagen: Wir weisen das jetzt aber als Bauland aus und werden dort bauen.“ Sein SPD-Kontrahent Olaf Scholz stimmte grinsend zu.

Dabei mangelt es in Berlin nicht an Bauland, sondern an der Umsetzung, wie der Stadtentwicklungsplan Wohnen eindeutig ausweist. Für 60.000 Wohnungen gibt es nicht realisierte Genehmigungen.

„Was wir im Wohnungsbereich aber vor allem haben, ist eine Bezahlbarkeitskrise“, sagt Architekt Malte Wilms, der zusammen mit Be­rufs­kol­le­g:in­nen und Land­schafts­pla­ne­r:in­nen im Herbst das Netzwerk Architects4THF gründete. Ihren offenen Brief an Senator Gaebler mit der Überschrift: „Do not build“ unterschrieben 4.230 Menschen, darunter namhafte Architekten wie Benjamin Foerster-Baldenius, Arno Brandlhuber oder Jean-Philippe Vassal. „Wir kritisieren den Versuch, mit dem Wettbewerb Ar­chi­tek­t:in­nen zu instrumentalisieren, um eine unpopuläre und undemokratische Entscheidung zu legitimieren“, so Wilms.

Die Gruppe hat entschieden, selbst keine Vorschläge abzugeben, weiß aber von Einreichungen, die jede Bebauung des Felds ablehnen. Im Sommer sollen die besten Ideen ausgestellt werden, kündigte ein Senatssprecher an. Auch er habe von Boykott-Einreichungen gehört, „aber Nichts kann man ja nicht ausstellen.“

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