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Ich geh ab jetzt aufs Männerklo

■ Wenn eine Frau nicht Schlange stehen will, braucht sie ein wenig Mut zum Risiko

Sicher waren Sie schon mal im Theater oder im Kino oder auf anderen öffentlichen Veranstaltungen. Ja? Und mußten Sie auch mal? Haben Sie auch schon Schlange gestanden? Ja? Sehen Sie, ich auch. Und nun sagen Sie mir bitte auch: War die Pause kurz und die Schlange lang? Auch das passierte mir häufig. Ungezählte Male stand ich Schlange vor ungezählten Damenklos mit ungezählten anderen Damen. Sie auch? Ruft das Erinnerungen wach? Sehen Sie, ich hasse nämlich das Schlangestehen. Ganz egal wo. Ich hasse es in der DDR, wo nach einer halben Ewigkeit der Oberkellner endlich geruht, den volkseigenen Gast durch die rote Kordel ins Allerheiligste zu lassen. Ich hasse es in den USA, wo die Durchrationalisierung der Gastronomie einen ähnlichen Effekt hat und die Kundin sich glücklich schätzen darf, wenn die Wartezeit in den Schlangen vor Mc Donalds nicht länger ist als vor dem heimischen Mikrowellenherd. DDR, USA und Damenklos haben für mich eine charakteristische Gemeinsamkeit. Das ist das Schlangestehen. Und das hasse ich. Manchmal frage ich mich, ob dieses Schlangestehenlassen beabsichtigt ist, als zusätzlicher Werbeeffekt sozusagen. Nach dem Motto: Das muß ja gut sein, sonst würden die Leute nicht so anstehen. Lange habe ich mich mit dieser Frage beschäftigt. Meine Damen, ich bin zu einem endgültigen Ergebnis gekommen. Es lohnt sich nicht.

Wie ich zu dem Ergebnis gekommen bin? Durch kühne Forschungstätigkeit und echten Pioniergeist. Ich wagte mich auf unbe kanntes Terrain vor, wie seinerzeit Columbus und Vasco da Gama. Eines Tages, als ich wieder einmal frustriert in meiner Damenkloschlange stand, schmerzte mich meine Blase so heftig, daß mich der wilde Zorn packte. Ich brach aus den Damenreihen aus, und mit dem Mut der Verzweiflung stieß ich bis aufs Männerklo vor. Die Erleichterung war unbeschreiblich. Kein einziger Mann war in Sicht. Sie möchten jetzt natürlich wissen, ob dort noch etwa Gefahren anderer Art auf mich lauerten. Der einzige Angriff, den ich an diesem ersten denkwürdigen Tag abzuwehren hatte, war eine heftige Attacke auf meine Riechnerven. Dieser Ort roch sehr streng. Zufällig hatte ich, bitten fragen Sie mich nicht warum, eine Wäscheklammer in meiner Handtasche. Diese klemmte ich mir auf die Nase. Die Gefahr einer Ohnmacht war somit erfolgreich abgewehrt. Schließlich wollte ich nicht als hilflose Person auf einem Männerklo aufgefunden werden.

Was glauben Sie, was ich wieder und wieder entdeckt habe. Leere Männerklos! Und das zu Zeiten, in denen sich die Damen vor den Damenklos so die Beine in den Bauch standen, daß das schon zu Blasenkrämpfen geführt haben soll. Warum das so ist, hatte ich bald erkannt. Die Architekten von Theatern, Kinos und Konzerthallen haben für Damen und Herren die gleiche Anzahl Klos konzipiert, mit einem kleinen Unterschied: Für die Herren gibt es noch zusätzliche birnenförmige Urinarien aus feinstem, weißen Prozellan. Das bedeutet, daß die Herren über doppelt soviele Erleichterungsmöglich keiten für die kurzen Pausen verfügen, wie die Damen. Nun sind aber ungefähr zwei Drittel aller Theater- und Konzertbesucher weiblich und nur etwa ein Drittel männlich. Um noch einmal auf das Gefahrenpotential zurückzukommen, das einer Dame den Besuch eines Männerklos verbieten könnte, kann ich nur sagen: die Gefahr, auf einen Mann im Männerklo zu treffen, ist äußerst gering. Auch finde ich es etwas übertrieben, hier von Gefahr zu sprechen.

Was ist denn so gefährliches an einem Mann im Männerklo? Seien Sie mal ehrlich, was stellen Sie denn sonst alles so an, nur um Männer zu treffen? Haben Sie sich nicht auch schon für Schach und Fußball interessiert? Auch gibt es Damen, die sich todesmutig von hohen Felsen ins tiefe Tal stürzen, nur weil der Mann ihres Lebens ein Paraglider ist. Die ganz tollkühnen Damen wagen sich gar auf den Beifahrersitz des BMW ihres Freundes, der oft der Versuchung erliegt, zu zeigen, was zweihundertachtzehn PS auf der Autobahn alles so anrichten können.

Und da sollen Sie plötzlich Angst haben, auf einen Mann im Männerklo zu treffen? Das erscheint mir unlogisch. Auch sollten Sie sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß die meisten Männer beim Pinkeln gesehen werden wollen. Sie kennen doch den Anblick, am Straßenrand von stark befahreren Bundesstraßen, auf Autobahnen, in städtischen Grünanlagen, in Toreinfahrten, gegen Bäume und Laternenpfähle, vor, hinter und neben öffentlichen Toiletten...und...und...und...

Überall können Sie pinkelnde Männer sehen, falls Sie nicht verschämt zur anderen Seite blicken oder gar so tun als sähen Sie gar nichts. Warum eigentlich? Ist es Ihnen peinlich? Den angesprochenen Herren offensichtlich nicht. Im Gegenteil, sie wollen beachtet werden. Würden sie sich sonst solche Mühe geben, die Öffentlichkeit zum Erledigen ihrer Geschäfte aufzusuchen? Hier gibt es meines Erachtens ein grundlegendes Mißverständnis zwischen den Geschlechtern.

Also, wenn Sie jetzt demnächst aufs Männerklo gehen, und Sie treffen dort zufällig auf einen Mann, sollten Sie ihm höflich und diskret zu verstehen geben, daß Sie ihn gesehen haben. Das wird seine Stimmung heben. Auch entspricht es durchaus der guten Sitte, einen kurzen aber treffenden Kommentar zum Gesehenen abzugeben. Männer tun das sehr häufig, wenn es um unsere körperlichen Vorzüge geht. Und ich bin sicher, daß sie das tun, um uns eine Freude zu bereiten. Deshalb finde ich es nur fair und gerecht, wenn wir uns hin und wieder zu einem anerkennenden Pfeifen oder doch wenigstens zu einem schmeichelnd hingehauchten „Oh“ aufraffen können.

Sie wissen ja, Höflichkeit, Respekt und Anerkennung sind das A und O von guten Beziehungen, auch und ganz besonders in den kleinsten Dingen des Lebens. Sollte Ihnen jedoch ein Herr ganz besonders gefallen, könnten Sie ja auch ein Gespräch mit ihm anfangen, zum Beispiel mit der originellen Frage: „Kommen Sie öfter hierher?“ Rosa Tiger

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