: Ich bin jemand, der heizt
Echte, unaufgeblasene Dinge, versierte Alltäglichkeit: Mit ihrem Roman „Cindi liebt mich nicht“ beweisen Jochen-Martin Gutsch und Juan Moreno, dass Journalisten über Liebe schreiben können
VON JOCHEN FÖRSTER
Wenn Zeitungsleute Bücher machen, passiert Standesungemäßes so gut wie nie. Sie bleiben bei ihren Leisten, und das ist meist gut so. Frank Schirrmacher über „Methusalem“, Heribert Prantl über soziale Gerechtigkeit, Eckhard Fuhr über das neue Deutschland, Alexander Smoltczyks oder Andrian Kreyes gesammelte Reportagen, Alice Schwarzers oder Matthias Matusseks Geschlechterkämpfe – da weiß man, was man hat. Manchmal schreiben Journalisten auch Romane, das ist dann eher selten gut, weil es sich liest, als hätten sie ihr Thema fiktiv verpackt. Alexander Osang war selten billiger als in seinem „Stasi-Ossi meets Hamburg-Media“-Roman „Die Nachrichten“, Dietrich Schwanitz hätte besser einen Bildungskanon mehr erstellt als seinen unseligen „Campus“-Roman, Karasek kann wunderbar über Billy Wilder und Woody Allen schreiben, aber „Das Magazin“, du liebe Güte, und dann gab’s da noch Rebecca Casati, die über ganz was anderes schrieb, Liebe nämlich, Nummern-Liebe, aber schweigen wir lieber davon.
Jochen-Martin Gutsch und Juan Moreno, beide Absolventen der Münchner Journalistenschule und inzwischen bei großen Zeitungen gelandet, repräsentieren eher ungewöhnliche Typen im Journalismus, weniger Experten als Allesbeobachter, weniger Großkopferte als Chronisten eigenen Ungenügens, gern situativ, gern kolumnisch, und so nimmt es wenig Wunder, dass die zwei im Verein den ersten würdigen journalistengeschulten Liebesroman hingelegt haben.
„Cindy liebt mich nicht“ erzählt die Geschichte einer Dreiecksbeziehung. David ist Staatsanwaltsreferendar und verliebt in Maria, Krankenschwester. Franz ist Barkeeper und ebenso verliebt. In Maria. Beide Männer fragen nicht viel, beide sind glücklich, beide denken, sie sind allein. Irgendwann wartet der eine vergeblich in ihrer Wohnung auf sie, und in der Wohnung des anderen fragt Maria „Warum liebst du mich?“, weint und verschwindet. Beide bleiben perplex zurück, forschen nach Marias Verbleib, treffen sich, und gemeinsam führt sie ihre Suche nach Maria zur Mutter nach Brandenburg, zur Psychiatrie in Mecklenburg-Vorpommern und schließlich zum Showdown in Dänemark, bei Maria und Olaf. Natürlich lernen David und Franz bei ihrer Recherche etwas über sich und ihr Leben. Die Gegensätze sind dabei reichlich stilisiert: Der eine eher brav, zukunftsbedacht und beziehungswillig, der andere nimmt die Dinge, wie sie kommen, interpretiert Liebe eher flüchtig und trinkt seinen ersten Kaffee, wenn andere von der Arbeit kommen. Der eine richtet Marias Wohnung ein, zieht ihre Dielen ab und bekocht sie, beim anderen kreuzt sie stets unangemeldet in der Bar auf, geht mit ihm nach Hause und schleicht sich in sein Leben. Ihre Differenzen sind so denkbar schlicht wie ihre Idee von Beziehungen.
Dass „Cindy liebt mich nicht“ dennoch ein schöner Erstling geworden ist, verdankt es einerseits einem erzählerischen Kunstgriff: Jochen-David und Juan-Franz schreiben abwechselnd, aber nicht genau im Takt, und manchmal weiß man erst nach ein paar Seiten, wer gerade erzählt. Vor allem aber besticht der Roman durch das, was auch das hauptberufliche Schreiben der beiden ausmacht – eine Art versierter Alltäglichkeit. Menschen passieren Dinge, echte, unaufgeblasene Dinge, Menschen erleben die Großstadtliebe, David trifft Maria auf einer Party, leckt wenig später ihr Ohr, das schmeckt „wie bitter mit süß“, Franz begegnet ihr in der Bar, Tage später sitzen sie auf einer Tischtennisplatte, und sie sagt zu ihm: „Ich bin jemand, der heizt.“
Die Menschen bei Gutsch und Moreno sprechen eine Sprache von heute, sie konstruieren wenig, reden herum, erzählen Geschichten am Rande, immer mal zwischendurch: Was „Trivial Pursuit“ mit einer „Pimmel-Olympiade“ zu tun hat. Was ein Bumsgesicht ist. Wie man erwachsen miteinander schläft. Und sie stellen sich ewige Fragen. David: „Ist es richtig, wie ich lebe? Oder bin ich auf der ganz falschen Spur und die Zeit rennt mir langsam weg, ohne dass ich es merke? Soll ich Vegetarier werden? Vielleicht ist Blattspinat richtig? Was denkst du über Blattspinat?“ Franz: „Warum möchten die Leute ständig ihr Leben ändern? Ich habe jeden Monat mindestens drei Typen an der Bar, die mir erzählen, dass sie alles hinwerfen wollen … Am nächsten Morgen gehen sie zu ihrem Chef, dem sie am Abend vorher noch die Meinung sagen wollten, und fragen, ob er abgenommen habe.“
Das ist im Ergebnis nicht allzu tiefsinnig, so wie im Leben. Aber es hat Fluss, es riecht gut, echt, und nach Frühling. An die Luft damit, zur heiter-besinnlichen Verwendung an Bar und Strand: kaufen.
Jochen-Martin Gutsch, Juan Moreno: „Cindy liebt mich nicht.“ Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005, 218 Seiten, 8,90 Euro