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IWF: Dritte Welt zahlt mehr als sie erhält

■ 1986 waren alle Entwicklungsländer insgesamt „Nettokapitalexporteure“

Washington (afp) - Die Privatbanken haben nach einer statistischen Erhebung des Internationalen Währungsfonds (IWF) im letzten Jahr erstmals mehr Geld aus den Entwicklungsländern insgesamt zurückerhalten als sie diesen an neuen Krediten gewährt haben. Die Dritte Welt ist damit zu einem Nettokapitalexporteur geworden. Diese Umkehr des Geldflusses deutet an, daß die Hilferufe der Dritten Welt bei den Geschäftsbanken weitgehend ungehört verhallt sind. 1986 war laut IWF mit minus 5,4 Milliarden Dollar zum ersten Mal seit Ausbruch der Schuldenkrise eine Negativbilanz der Gesamtnettokredite von Banken an Entwicklungsländer zu verzeichnen. Diese Tendenz hatte sich mit plus 36 Milliarden Dollar 1983 über 15 Milliarden (1984) auf zehn Milliarden (1985) bereits deutlich abgezeichnet, nachdem einzelne Länder und Regionen bereits zu „Nettokapitalexporteuren“ geworden waren. Damit ist auch der Baker–Plan vom Herbst 1985 gescheitert, der in seinem ersten vollen Rechnungsjahr keine Früchte trug. Die Initiative des US–Finanzministers sollte den meistverschuldeten Ländern besonderen Beistand sichern. Daraus wurde nichts: Aus den 15 betroffenen Schuldnerstaaten bezogen die Privatbanken im letzten Jahr 6,4 Milliarden Mark mehr als sie an neuen Krediten gewährten. Und dies obwohl Argentinien (1,2 Milliarden Dollar), Kolumbien (1,0 Milliarden), die Philippinen (500 Millionen), Chile (400 Millionen) und Panama (100 Millionen) neue Kredite erhielten. Mexiko konnte sich zudem einen Überbrückungskredit von 500 Millionen Dollar sichern, in Erwartung einer definitiven Zustimmung der Banken, die bis zum März auf sich warten ließ. Nur Asien, der am geringsten verschuldete Kontinent, und die Ostblockländer konnten mit Nettokrediten der Banken von 3,5 beziehungsweise 5,0 Milliarden Dollar positiv abschließen. Lateinamerika hingegen zahlte unter dem Strich 4,2 Milliarden Dollar zurück, der Nahe Osten 2,1 Milliarden und Afrika 1,8 Milliarden. Die IWF–Zahlen bestätigen die neuen Tendenzen auf den internationalen Finanzmärkten, auf die zuvor bereits die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel aufmerksam gemacht hatte: Die US–Banken sind 1986 mit 396 Milliarden Dollar Verbindlichkeiten und 395 Milliarden Dollar Außenständen zu Nettokreditnehmern geworden. Der steigende Einfluß der japanischen Banken und ihre wachsende Integration in das internationale Finanzsystem wird belegt durch die 1986 von ausländischen Banken entliehenen 148 Milliarden Dollar und 111 Milliarden, die gleichzeitig außerhalb Japans angelegt wurden. Das für ein Geberland erstaunliche Ungleichgewicht erklärt der IWF mit der Entwicklung des „off–shore“–Markts von Tokio. Die Banken in der BRD, in Großbritannien und der Schweiz blieben im vergangenen Jahr die Hauptquellen des internationalen Bankensystems. Weltbank warnt vor Stagnation Ohne deutliche Kursänderungen in den Industrie– und den Entwicklungsländern wird die Entwicklung der Weltwirtschaft nach Ansicht der Weltbank in den nächsten Jahren zum Stillstand kommen oder sogar in eine Rezession umkippen. In ihrem jetzt in Washington veröffentlichten Weltentwicklungsbericht 1987 stellte die Weltbank fest, nach den Jahren des Aufschwungs seien die Wachstumsraten im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen. Das reale Bruttoinlandsprodukt der Industrieländer sei 1986 nur noch um 2,5 Prozent (nach 4,6 in 1984) und das der Entwicklungsländer um 4,2 Prozent (nach 5,1 in 1984) gewachsen. Der seit 1983 andauernde weltweite Wirtschaftsaufschwung verliere weiter an Dynamik, „und wenn die Regierungen nicht handeln, wird es zu einem wirtschaftlichen Stagnieren oder vielleicht sogar zur Rezession kommen“, erklärte die Weltbank. So müßten die Haushalts– und Zahlungsbilanzdefizite soweit verringert werden, daß in den Industriestaaten ein anhaltendes Wachstum gewährleistet wird. Auch müßte den protektionistischen Tendenzen Einhalt geboten werden. Ohne grundlegende Kursänderungen sieht die Weltbank ein Wachstum von „nur“ 2,5 Prozent in den Industrieländern und 3,9 Prozent in den Entwicklungsländern. In diesem Fall würde die Arbeitslosigkeit in Europa hoch bleiben, den USA würde der Abbau ihres Haushaltsdefizits nicht gelingen und protektionistische Bestrebungen würden eine weitere Liberalisierung des Welthandels behindern. Der Weltbank– Bericht warnte zudem vor einem Scheitern des Allgemeinen Zoll– und Handelsabkommens (GATT) angesichts der zunehmenden protektionistischen Tendenzen. Die Entwicklungsländer würden dabei am meisten verlieren.

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