ISABEL LOTT WUTBÜRGERIN : Alles selber machen
Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem der Elektriker bestellt wurde, um die Glühbirnen zu wechseln, und meine Mutter sich weigerte, einen neuen Film in die Kamera zu legen. Dafür gab es Fachgeschäfte. Das mag der Grund sein, weshalb ich mit Begeisterung zu den Selbsthelfern der Berliner Hausbesetzer gehörte und mit Elan vor mich hin werkelte.
Alles selber zu machen, gehörte zu meinem neuen Lebensgefühl und versprach Autonomie. Leider mutierte die Bewegung zum großen Teil in kleinliche Häuslebauer. Dafür ließen sich viele Unternehmen von unserer Begeisterung für die Selbsthilfe inspirieren. Sie erkannten die Chance, ihre Gewinne zu erhöhen, indem sie uns Kunden zu ihren unbezahlten Servicemitarbeitern umfunktionierten. Mit großem Erfolg.
Ohne jeglichen Protest checke ich wie alle anderen am Flughafen selber ein, baue meine Möbel zusammen und lasse mich von meiner Bank zu den Automaten schicken. Inzwischen wird mit Selbstzahlerkassen im Supermarkt experimentiert und ich warte darauf, dass ich aufgefordert werde, beim Regale-Einräumen zu helfen. Dafür gibt’s dann extra Treuepunkte.
Aber eine wirklich perfide Entwicklung ist es, mich dafür abzukassieren, dass ich den Unternehmen die Arbeit abnehme. Bei meinem letzten Versuch, einen Flug zu buchen, sollte ich nicht nur dafür bezahlen, dass ich mir einen Sitzplatz reserviere, sondern auch noch dafür, dass ich den Flug bezahlen darf. Sie nennen das Servicepauschale – und ich Abzocke. Ich habe mich dann für eine andere Form der Fortbewegung entschieden. Genauso frech verhält sich der Veranstaltungsanbieter, der von mir vier Euro verlangte, weil ich mein Ticket selber ausdrucken durfte. Wenn das so weitergeht, ruft die Stewardess in ein paar Jahren in die Kabine, ob jemand den Pilotenschein hat. Und wir bezahlen dann alle extra Gebühren, für das tolle Flugerlebnis.
■ Hier wütet alle zwei Wochen Isabel Lott