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Archiv-Artikel

ISABEL LOTT WUTBÜRGER Das überwachte Hüpfen

Es ist Frühling und endlich können Deutschlands Eltern ihre Kinder wieder in ein Gartentrampolin sperren. Inzwischen steht ein solches Trampolin in fast jedem Garten oder gepflegten Hinterhof.

Und alle, die ich gefragt habe, rechtfertigen die Anschaffung mit dem enorm hohen Spaßfaktor für ihre Kinder. Das wäre mir völlig neu, dass die Mittelschicht ihren Kindern für ein paar hundert Euro ein Trampolin kauft, damit die einfach nur hüpfen. Vielmehr ist es das optimale Gerät, um den Bewegungsdrang der Kinder und den Kontrollzwang der Eltern in Einklang zu bringen. Ein Blick in einschlägige Internetforen bestätigt das: Die meisten freuen sich, dass ihre Kinder animiert werden, an die frische Luft zu gehen, und dabei lückenlos überwacht werden können. Das Kind gerät keinen Moment aus dem Blickfeld, klettert auf keinen Baum oder rennt durch die Beete. Eine Mutter schreibt ganz offenherzig: „so können wir bei Kaffee und Kuchen entspannt unsere Rabauken beim Austoben genießen“. Auch das Thema Sicherheit spielt in den Foren eine große Rolle. Begeistert berichten sie von der Stabilität des Sicherheitsnetzes, vom TÜV-Siegel. Das Trampolin als Kinder-Knast.

Typisch sind Einträge, in denen die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. „Wir bieten unseren Kindern das sicherste Trampolin, denn schließlich wollen wir ja auch mal sorgenfreie Minuten im Garten verbringen“. Schöner Zusatzeffekt ist die Optimierung des Kinderkörpers. Die Hersteller kennen ihre Kundschaft und werben damit, dass Trampolinspringen die Kondition erhöht und gleichzeitig Motorik und Gleichgewichtssinn gefördert werden. Ich bin mir sicher, dass viele Kinder mit ADHS-Diagnose aufs Trampolin geschubst werden, damit die sich mal richtig auspowern und hinterher Ruhe geben. Das Gerät fungiert auch als Statussymbol. So brüstet sich ein Vater, dass die Nachbarskinder immer wieder kommen, obwohl die auch eines haben – mit nur drei Metern Spannweite.

Und was steht im Garten von Berlins erstem geschlossenen Heim für kriminelle Kinder? Ein Trampolin.

Hier wüten abwechselnd Isabel Lott und Kai Schächtele