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IRA bekennt sich zu Rinderwahn Von Ralf Sotscheck

Die Wissenschaftler haben sich geirrt: Der Rinderwahnsinn, im Volksmund „Bovine Spongiforme Enzephalopathie“ (BSE) genannt, wurde keineswegs durch Verfütterung verseuchten Tierkörpermehls ausgelöst, sondern ist ein Werk der IRA. Dazu hat sich am Wochenende eine chemisch-biologische Einheit aus Nord-Belfast bekannt. „Seit Mitte der achtziger Jahre haben wir britische Kühe systematisch mit dem Erreger des Typs Shamrock B infiziert“, hieß es in der Presseerklärung. „Die britische Regierung trägt die volle Verantwortung für den tragischen Tod der Tiere.“ Wissenschaftler haben inzwischen eingeräumt, daß die Autopsie der Rinder nicht die charakteristischen schwammförmigen Gehirne ergeben hat: Die Hirne hatten die Form von Kleeblättern.

Ziel der Aktion sei es gewesen, den Unionisten die Einheit mit Großbritannien zu vermiesen, sagte die IRA. Das ist vollauf gelungen. Seit der Vertreibung der Iren und der Ansiedlung politisch zuverlässiger Protestanten im 17. Jahrhundert ist das saftige Weideland im Osten der britischen Krisenprovinz fest in unionistischer Hand. Auf die listige Frage eines Reporters, welcher Nationalität er sei, antwortete ein Bauer, der seine Gummistiefel mit Union Jacks beklebt hatte: „Britisch natürlich.“ Seine Kühe seien also auch britisch, schlußfolgerte der Reporter. „Nein, nein“, meinte der Bauer, der merkte, daß er hereingelegt worden war, „es sind irische Kühe.“ Und zog sich unauffällig die Gummistiefel aus.

Auch die unionistische Fleischindustrie ist umgeschwenkt. Norbett Quinn, Geschäftsführer von Omagh Meats, sagte: „Ich bin mir sicher, man kann wissenschaftlich nachweisen, daß nordirisches Rindfleisch das beste der Welt ist, aber leider werden wir mit britischem Rindfleisch in einen Topf geworfen.“ Oder eben nicht: Nordirisches Beef ist wie das britische aus den Kochtöpfen der Welt verbannt. Die läppische Begründung: 1.680 verrückte Kühe – mehr als viermal soviel wie der Rest der Welt zusammen, wenn man Großbritannien einmal ausnimmt. Damit ist ein Jahresumsatz von umgerechnet 100 Millionen Mark futsch.

Ganz anders in der Republik Irland: Dort gab es bisher nur 125 Fälle, und die irische Fleischindustrie wittert neue Märkte. Landwirtschaftsminister Ivan Yates wollte das irische Fleisch sogar grün einfärben, konnte von Marketing-Experten aber davon abgebracht werden. „Englands Schwierigkeiten sind Irlands Chance“ – diese Losung hatte die IRA während der beiden Weltkriege ausgegeben und Rebellionen angezettelt. Diesmal versuchte man es mit dem Kuhkrieg. Sofort nach dem Exportverbot schlüpften Nordirlands unionistische Bauern bei Nacht und Nebel mit ihren Tieren ins vormalige Feindesland. Soweit hatte der IRA-Plan funktioniert. Doch dann machte die irische Regierung einen Strich durch die Rechnung. Tausende von Soldaten, Polizisten und Zollbeamten haben seit vergangener Woche sämtliche inneririschen Grenzstraßen dichtgemacht, die größte Sicherheitsaktion in der Geschichte – jedenfalls südlich der Grenze. Die Einwanderung der Unionisten konnte verhindert werden. Der Dubliner Regierung war das schnöde Rindfleisch wichtiger als eine friedliche Vereinigung Irlands. Ist eine Kuh denn mehr wert als ein Menschenleben?

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