INTERVIEWS: Den Leuten Appetit auf Reisen machen
■ Eine Befragung von Reiseredakteuren zur Rolle ihrer Redaktion in den Printmedien
taz: Ist der redaktionelle Reiseteil lediglich ein Umfeld für Anzeigen?
Rosemarie Noack (Die Zeit): Nicht aus redaktioneller Sicht.
Birgit Cremers-Schiemann (Die Welt): Es ist eine Unverschämtheit, so etwas zu fragen.
Wolfgang Schrader (Mitteldeutsche Zeitung Halle): Die Reisewünsche unserer Leser sind sehr groß. Deshalb wollen sie informiert werden über andere Länder, Reisebüros, Reisebedingungen. Bisher haben wir zwei Seiten Reisemarkt in unserer Wochenendbeilage. Wenn das Anzeigenaufkommen besser wird, wollen wir eine eigene Reisebeilage schaffen.
Wolfgang Weiler (Berliner Morgenpost): Bei uns gibt es keine inhaltliche Verbindung von Anzeigen und redaktioneller Gestaltung. Hin und wieder werden wir aber von Anzeigenkunden darauf hingewiesen, wer die Brötchengeber sind. Unser Verlag gibt uns dabei aber Rückendeckung.
Was ist Ihr inhaltliches Interesse an der Reiseberichterstattung?
Noack: Gute Unterhaltung auf hohem Niveau, realitätsnahe Reportagen, die auch politische und ökonomische Aspekte nicht aussparen, und immer wieder das Spannungsfeld Tourismus-Ökologie.
Cremers-Schiemann: Das hängt vom Thema ab: Leserinformation, Leserservice. Kultur-, Sport-, Hobby-, Gesundheit- und Fitnessthemen bis zu Nachrichten aus Hotellerie und Luftfahrt.
Schrader: Den Leuten Appetit auf Reisen zu machen. Reisen ist doch Welterfahrung im doppelten Sinn des Wortes.
Weiler: Ich versuche dem Reiseverhalten meiner Leser gerecht zu werden durch die Auswahl der Themen, durch ihre Gewichtung, zum Beispiel zwischen 50 und 60 Prozent aus Deutschland, und den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Ich kenne die Reisegepflogenheiten aus Analysen, Gesprächen mit der Reisebranche und der starken Leser-Redaktion-Kommunikation.
Sind Sie als Reiseredaktion in der Gesamtredaktion anerkannt?
Noack: Ja, besonders bei denen, die den Reiseteil lesen.
Cremers-Schiemann: Durchaus.
Schrader: Die Kollegen sagen, der hat ein feines, anerkanntes Ressort und kann mehr als andere reisen.
Weiler: Jeder Chefredakteur und Kollege denkt doch: ,Wer Urlaub macht, der kann auch darüber schreiben‘, und sieht nicht ein, welche besondere Qualifikation dafür erforderlich sein soll. Oft werden ausgepowerte Kollegen aus anderen Redaktionen auf diesen angeblich ruhigen Posten gesetzt. Die hierarchische Einordnung des Reiseressorts im Redaktionsalltag läuft unter ferner liefen.
Fühlen Sie sich als ReisejournalistIn von der Reisebranche eher betreut oder bestochen?
Noack: Weder noch. Wenn wir Einladungen annehmen, fühlen wir uns frei, diese nach journalistischen Kriterien zu beurteilen.
Cremers-Schiemann: Weder noch.
Schrader: Die Absichten gehen wohl in die Richtung des letzten. Doch es hängt von jedem selbst ab, wie er sich dem entziehen kann.
Weiler: Weder noch. Ich habe letztlich immer alle Informationen bekommen, die ich haben wollte. Über drei Pressereisen in acht Jahren habe ich nichts geschrieben, weil sie nur einen totalen Verriß gerechtfertigt hätten. Interviews: Edith Kresta und Günter Ermlich
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