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INTERVIEW»Ein Angebot für die ganze namibische Gruppe«

■ Almuth Berger, Ausländerbeauftragte von Brandenburg, und ihre MitarbeiterInnen Ines Sprenger und Axel Zimmermann zu den Folgen des Balkonsturzes zweier Namibier/ Abschiebestopp für Ex-DDR-Vertragsarbeiter

taz: Zwei namibische Jugendliche wurden im Mai 1991 in Wittenberge von Deutschen aus einem Balkon im vierten Stock geworfen und schwer verletzt. Was konnten und können Sie für die Gruppe jener Jugendlichen tun, die eine in der DDR begonnene Schlosserlehre abgeschlossen hat und Ende Juli das Land verlassen soll?

Almuth Berger: Nachdem wir feststellen mußten, daß deren schlechte Ausbildung den Anforderungen in Namibia nicht genügen würde, überlegten wir, wie wir ihnen eine Zusatzqualifikation beschaffen können. Das »Solidaritätskomitee«, das sie einst ins Land holte, wollte oder konnte keine weitere Ausbildung finanzieren. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit machte dann das Angebot, über die Otto-Benecke- Stiftung in Namibia eine berufliche Begleitung in den ersten Monaten zu stellen. Eine neue Lage ergab sich auch daraus, daß 9 der 13 Jugendlichen aus Wittenberge noch als Zeugen gebraucht werden. Wegen Verdachts auf versuchten Totschlag wurde der Prozeß um den Balkonsturz an ein Schwurgericht abgegeben. Also sagten wir: Wir wollen der ganzen Gruppe das Angebot machen hierzubleiben und bis zum Jahresende die Zeit für eine Anschlußqualifikation zu nutzen. Dafür sagte das Land Brandenburg jetzt 240.000 Mark zu.

Es gibt doch aber noch mehr Namibier, die zurückkehren sollen?

Almuth Berger: In Brandenburg sind es insgesamt 23 und in Sachsen-Anhalt weitere 23. Leider waren wir in der kurzen Zeit nicht in der Lage, für die anderen weitere Gelder aufzutreiben. Wer sich mit Haushaltsplänen auskennt, weiß, wie schwer das ist. Dennoch sollen auch sie nach ihrer Rückkehr von besagter Stiftung betreut werden.

Was wurde für die Opfer des Überfalls getan?

Ines Sprenger: Im Fall Jona Ipinge hat das »Solidaritätskomitee« zugesagt, daß er ein Jahr Schule und eine weitere Ausbildung finanziert bekommt, weil er seine Schlosserlehre nicht beenden konnte. Zur Lage in Wittenberge: Bei Besuchen merkten wir, daß wir dort länger bleiben müßten, um das brisante Klima zwischen Ausländern und deutschen Jugendlichen zu entschärfen. Wir konnten dann einige Monate Axel Zimmermann als Sozialarbeiter auf Honorarbasis dort beschäftigen. Und danach entstand dort die Initiative »Miteinander leben e.V.«. Das Beste gegen Ausländerfeindlichkeit ist, wenn in den Kreisen und Gemeinden eigene Initiativen mit Zivilcourage entstehen.

Axel Zimmermann: Im Vorstand sitzen Ausländer und Deutsche, die Mitglieder sind größtenteils Wittenberger. Der Verein, der derzeit immer größer wird, hat sich zum Ziel gesetzt, das Klima mit Veranstaltungen und Festen zu bessern.

Dürfen die Ex-DDR-Vertragsarbeiter in Brandenburg bleiben?

Almuth Berger: Brandenburg ist zusammen mit anderen Bundesländern im Begriff, eine Bundesratsinitiative für eine einheitliche Regelung zu starten. Das dauert aber noch, und bis dahin wollen Brandenburg und Sachsen-Anhalt einen Abschiebestopp erlassen. Berlin wollte das leider nicht, Thüringen hat aber bereits einen erlassen. Das ist ein erster kleiner Schritt. Int.: Ute Scheub

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