INTERVIEW: "Jetzt will ich meine eigene Akte"
■ In Bremen wurde zum ersten Mal in der Republik ein Grüner in ein Kontrollorgan für die Geheimdienste gewählt
Der Bremer Abgeordnete Martin Thomas ist als erster Grüner mit den Stimmen von SPD und FDP in die „Parlamentarische Kontroll-Kommission“ (PKK) gewählt worden, die den Bremer Verfassungsschutz kontrollieren soll. Am Mittwoch fand die erste Sitzung im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) statt.
taz: Jetzt durftest Du als erster Grüner den Verfassungsschutz kontrollieren. Hast Du denn Geheimnisse erfahren?
Martin Thomas: Ja, ich habe eine Menge Geheimnisse erfahren. Nach dem Verfassungsschutz-Gesetz ist der Verfassungsschutz verpflichtet, uns sämtliche Bereiche, in denen Überprüfungen von Personen in Bremen stattfinden, offenzulegen. Er muß uns berichten, mit welchen nachrichtendienstlichen Mitteln er arbeitet, und wir erfahren auch, wo personenbezogene Informationen gelöscht wurden. Außerdem können wir konkrete Probleme ansprechen wie zum Beispiel die Zusammenarbeit des LfV mit Journalisten. Mir ist gestern versichert worden, daß der Bremer Verfassungsschutz an Journalisten nicht herangetreten ist.
Und das glaubst Du jetzt?
Das ist eine gute Frage. Ich sage nur, wenn herauskommt, daß Journalisten in Bremen doch für das LfV gearbeitet haben, weiß ich wenigstens, daß er mich belogen hat. Und das ist immerhin etwas.
Was würde das bedeuten?
Mein Interesse ist es, herauszufinden, ob es überhaupt eine Chance gibt, den Verfassungsschutz durch die PKK zu kontrolieren, oder ob es nur ein Scheingremium ist, aus dem ich mich dann schnellstens zurückziehe. So wie hier in Bremen sollten auch in anderen Bundesländern und in Bonn die Grünen Gelegenheit dazu bekommen.
Du gehörst jetzt in der grünen Fraktion zu den exklusiven Geheimnisträgern. Hat das interne Konflikte gegeben?
Nein, wir haben ganz offen darüber gesprochen. Ich habe gesagt, daß ich natürlich Probleme habe, Herrschaftswissen zu erfahren und es nicht preisgeben zu dürfen. Aber die Fraktion war ja dafür. Die Ungleichheit in der Fraktion ist der Preis dafür. Damit muß ich leben.
Wenn Du in der PKK von unrechtmäßigen Aktionen erfährst, was kannst Du dann tun?
Ich habe zum Beispiel für die nächste Sitzung eventuelle Verfassungsschutz-Aktivitäten gegenüber Bremer Parlamentariern auf die Tagesordnung setzen lassen. Darüber werde ich einen Bericht bekommen. Mir bleibt es dann völlig offen, Anträge zu stellen, und der Senat muß darauf antworten. Meine parlamentarischen Rechte sind durch die Tätigkeit in der PKK überhaupt nicht beschränkt.
Bestellst Du auch Deine eigene Akte?
Da ich selbst zehn Jahre lang Objekt des VS gewesen bin und jetzt die Möglichkeit habe, ihn als Parlamentarier zu kontrollieren, will ich natürlich auch wissen, was mit mir selbst passiert ist. Interview: Dirk Asendorpf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen