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INTERVIEWDie teure Steinkohle in Kauf nehmen

■ Stefan Kohler, Chef der niedersächsischen Energieagentur und früherer Mitarbeiter des Freiburger Öko-Instituts, zur Energiepolitik

Stefan Kohler arbeitete vor Antritt des neuen Amtes in Hannover neuneinhalb Jahre beim Öko-Institut in Freiburg, zuletzt als Koordinator des Energiebereichs.

Kohler ist Autor von diversen Studien zur Atomkraft und zur ökologischen Energiepolitik. Besonders bekannt wurde das Buch „Die Energiewende ist möglich“, mit dem das Öko-Institut nach eigener Einschätzung den Durchbruch in der großen Öffentlichkeit schaffte.

taz: Herr Kohler, Bundeswirtschaftsminister Möllemann will die Subventionen der deutschen Steinkohle drastisch zusammenstreichen. Von einer Halbierung der derzeitigen Fördermenge ist die Rede. Was steckt dahinter?

Stefan Kohler: Ich sehe drei Gründe. Erstens hat Herr Möllemann versprochen, die Subventionen zu reduzieren, und da sucht er sich Gebiete, wo er das mit einer gewissen Logik vertreten kann, und da ist die Kohle bestimmt ein Thema, über das man diskutieren muß. Zweitens entsteht durch die neuerliche Diskussion über den Einsatz und Ausbau von Atomkraftwerken natürlich eine verschärfte Konkurrenzsituation zwischen der Kohle- und der Kernenergie. Beide Energieträger werden im selben Einsatzspektrum verstromt. Der dritte Grund für die Subventionsdiskussion ergibt sich aus dem Preis für Importkohle, die mit 100 Mark pro Tonne deutlich billiger kommt als die westdeutsche Steinkohle, die etwa bei 270 Mark pro Tonne liegt.

Ist es bei diesem Preisunterschied nicht sinnvoll, mehr zu importieren und die hohe Subventionierung abzubauen?

Natürlich muß man darüber diskutieren, aber dabei ist das gesamte Umfeld zu beleuchten, Arbeitsplatzfragen ebenso wie die strukturellen Probleme. Es kann nur eine sanfte Anpassung geben, denn wenn man den Steinkohlebergbau durch den Kohleimport drastisch zurückfährt, hat man gleichzeitig eine Riesenbelastung durch die damit einhergehende Arbeitslosigkeit. Neben den direkten Arbeitsplatzverlusten muß man die Auswirkungen auf jene Unternehmen sehen, die Kohletechnologie produzieren und auf dem Weltmarkt absetzen. Dieser Bereich hängt wesentlich von der Eigennutzung ab. Bräche der Inlandsmarkt für umweltfreundliche Kohletechnologien zusammen, ließe sich auch international für diesen Bereich kein Markt mehr erschließen.

Möllemann weist mit Recht darauf hin, daß die Anpassung des Steinkohlebergbaus im Westen für die Bergleute wesentlich rücksichtsvoller geschieht als bei der Braunkohle im Osten.

Es gibt einen gravierenden Unterschied. Die Effizienz von dem Braunkohletagebau in den neuen Bundesländern ist im Vergleich zu den westdeutschen Kohlerevieren so extrem schlecht, daß hier eine schnelle Anpassung unumgänglich ist. Wie das geschieht, und ob der Anpassungsprozeß für die Bergleute im Osten ähnlich gestaltet werden kann wie im Westen, muß man diskutieren.

Sie haben gesagt, daß die Kernenergie die Konkurrentin der Steinkohle sei. Bei den derzeitigen Preisen scheint doch der Hauptkonkurrent die Importkohle zu sein, gegen die auch die Kernenergie ökonomisch nicht bestehen kann.

Die Importkohlekraftwerke sind derzeit die wirtschaftlich günstigsten Kraftwerke. Nur, es geht heute nicht mehr — das muß auch der deutsche Steinkohlebergbau begreifen — um die Verstromung von Kohle in großen Kondensationskraftwerken, sondern um den Einsatz der Kohle in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Das gilt für den Westen wie für den Osten. Deshalb ist die Diskussion über den Bau von zwei neuen Atomkraftwerken in den neuen Bundesländern so schädlich, weil dadurch Märkte besetzt werden, die mit Kraft- Wärme-Kopplung, also mit einer effizienten Kohlestrategie, bedient werden können.

Gibt es eine Lösung für das Emissionsproblem? Gibt es eine umweltfreundliche Kohleverstromung?

Das Öko-Institut hat für die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages im Jahr 1990 ein Szenario ohne Atomenergie entwickelt, und damit haben wir gezeigt, daß eine effiziente Kohlestrategie bei gleichzeitiger Reduktion der Treibhausgase um 30 Prozent bis zum Jahr 2005 möglich ist. Das heißt aber nicht, daß wir bis zum Jahr 2005 einen Einsatz der Kohle auf dem heutigen Niveau fordern. Auch in unserem Szenario findet eine Anpassung nach unten statt, insbesondere in der Braunkohle, die ja die höchsten spezifischen C02-Emissionen aufweist.

Der IGBE-Chef Hans Berger hat gesagt, daß die Energiewirtschaft nur dann den Jahrhundertvertrag verlängern werde, wenn man wieder zu einem Konsens zwischen Kohle und Kernenergie komme.

Für mich ist das kein Konsens. Tatsächlich ist die Kohle in den vergangenen Jahren immer weiter zugunsten der Kernenergie reduziert worden. Ich verstehe die Gewerkschaft nicht, daß sie diese Politik als Konsens akzeptiert. Ein Konsens in der Energiepolitik muß heißen, daß man eine Risikominimierungsstrategie fährt. Dazu gehört der Ausstieg aus der Kernenergie, das Energiesparen, der effiziente umweltfreundliche Einsatz von Kohle und der Ausbau der regenerativen Energieträger.

Wenn die Energiewirtschaft nicht mitspielt und die deutsche Steinkohle nicht abnimmt, dann ist der Bergbau tot. Was bleibt einer Gewerkschaft da anderes, als sich zu arrangieren?

Da möchte ich nur Herrn Pilz, den Chef der Veba (größter Energiekonzern Deutschlands, d. R.) zitieren, der gesagt hat, daß es Sache der Politik sei, über den Energieträgereinsatz zu entscheiden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Energiewirtschaft quasi mit der Brechstange den Einsatz der deutschen Steinkohle verhindern würde, wenn die Gewerkschaften und die SPD eine einheitliche Position zum Ausstieg aus der Kernenergie verträten. Ein Weigerung der Energiewirtschaft würde eine Lawine von Arbeitslosigkeit auslösen und den sozialen Frieden so nachhaltig stören, daß schon aus diesem Grunde ein Konfrontationskurs auf die Energiewirtschaft selbst negativ zurückschlagen müßte. Das könnten die nicht durchhalten. Interview: Walter Jakobs

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