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INTERVIEWAutostopp bei Sommersmog längst „überfällig“

■ Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes sieht keine Probleme bei der Sperrung von Innenstädten/ Zunächst Pendler aussperren/ Kölner Kinder haben 70 Prozent mehr krebserregendes Benzol im Blut als Landkinder

Der 56jährige Sozialdemokrat Franz-Josef Antwerpes hat als Regierungspräsident schon mehrfach zu ungewöhnlichen Maßnahmen gegen den Autoverkehr gegriffen. Als erster setzte er Tempo 100 auf einem ganzen Autobahnring durch. Antwerpes, der seit 1978 dem Regierungsbezirk vorsteht, zu dem auch Bonn gehört, stoppte nach mehreren schweren Unfällen auch die Nebelraser: Die Autobahn Köln-Aachen wird bei dichtem Nebel regelmäßig für den Gesamtverkehr gesperrt.

taz: Umweltminister Klaus Töpfer hat eine Rechtsverordnung angekündigt, mit der er Kommunen ermutigen will, bei hohen Umweltbelastungen im Sommer keine Autos mehr in die Innenstädte zu lassen. Was halten Sie davon?

Franz-Josef Antwerpes: Das ist überfällig. Töpfer hat seit drei Jahren mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz die Möglichkeit, solche Verordnungen zu erlassen. Nun befürchtet er offenbar, daß die Städte mit dem allgemeinen Ordnungsrecht eigene Schritte unternehmen und jede Stadt bei dem Grenzwert, der ihr paßt, das Zentrum dichtmacht.

Wie kommt Töpfer jetzt zu dem Schritt?

Die Verkehrsbelastungen in den Innenstädten mit Stickoxiden und Benzolen sind höher, als man vor einigen Jahren gedacht hat. In Köln hat eine Studie gezeigt, daß Kölner Kinder im Schnitt 70 Prozent mehr krebserzeugendes Benzol im Blut haben, als Kinder im unbelasteten Landkreis Borken. Stellen Sie sich bloß mal vor, welchen Belastungen ein Schutzpolizist ausgesetzt ist, der an der Ampel den Verkehr regelt.

Ist denn die Sperrung von Innenstädten so einfach möglich?

Ja. Die meisten Innenstädte haben nur wenige Zufahrtsstraßen. Die kann man ganz einfach mit Baaken und Straßensperren dichtmachen. Wenn ich als Regierungspräsident in einer halben Stunde einen 52 Kilometer langen Autobahnabschnitt sperren kann, dann sollte man aus Innenstadtsperrungen kein Problem machen. Anfangen sollte man zunächst damit, die Berufs- und Einkaufspendler auszusperren. Die läßt man ja im Augenblick noch einfach so rein.

Der ADAC hält die Sperrungen für unmöglich.

Der ADAC sagt immer, das geht nicht. Aber wer alle Äußerungen des ADAC ernst nehmen will, der muß sich fragen, ob er seinen Grips richtig einsetzt. Der ADAC sollte sich mehr auf den Pannendienst konzentrieren.

Was werden Sie denn machen, wenn die Verordnung kommt?

Erst mal werde ich mit den Kreisen und kreisfreien Städten reden. Wenn die Grenzwerte überschritten sind, und die Stadt unternimmt nichts, werde ich eingreifen. Da lasse ich nix anbrennen, aber das wissen die Städte im Regierungsbezirk. Ich befürchte nur, es fließt noch viel Wasser den Rhein herunter, bis Töpfer die Verordnung durchgebracht und entsprechende Durchführungsbestimmungen erlassen hat.

Vor zehn Jahren haben Politiker die Forderung nach der autofreien Innenstadt für ein Hirngespinst erklärt.

Solche Beschimpfungen muß man ertragen, weil die Menschen das einfach noch nicht einsehen. Wenn alles so weitergeht, ist in fünf Jahren das Befahren der Innenstädte ohnehin nicht mehr möglich. Irgendwie stecken die Menschen da die Köpfe in den Sand. Das ist ein Verhalten wie von Lemmingen, die sich gemeinsam ins Meer stürzen.

Wie finden sie Töpfers Schritt?

Offenbar wird der politische Druck größer. Die Verkehrsbelastung steigt, und die Bürger bekommen jeden Tag die hohen Ozonwerte mit. Bisher haben sich die politisch Verantwortlichen immer vor Einschnitten beim Autoverkehr gedrückt. Die Meinungsmacher in der Gesellschaft, die Männer zwischen 25 und 65 waren dagegen, aber die sind nicht die Mehrheit. Interview: Hermann-Josef Tenhagen

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