INTERVIEW: „Als hielten wir die Frauen nicht für mündig“
■ SPD-Entwurf für eine Fristenlösung: Hart umstritten ist die Frage einer „Informationspflicht“ für Frauen/ Heute soll die Fraktion darüber entscheiden/ Frauenpolitikerin Inge Wettig-Danielmeier will keine Verpflichtung
Inge Wettig-Danielmeier ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF). Zusammen mit dem SPD-Rechtsexperten Hans de With leitete sie die Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion, die den jetzt zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf erarbeitete.
taz: Strittig ist innerhalb der SPD-Fraktion immer noch, ob es eine sogenannte Informationspflicht für Frauen geben soll. Ist das ein anderes Wort für Zwangsberatung?
Inge Wettig-Danielmeier: Es gibt zwei Alternativen, über die es in der Fraktion noch keinen Konsens gibt. Einmal ist Beratung und Information freiwillig, das andere Mal gibt es neben der freiwilligen Konfliktberatung eine Informationspflicht, bei der sich eine Schwangere über die sozialen Leistungen informieren lassen soll. Es wird aber nicht erwartet, daß sie ihren persönlichen Konflikt vorträgt. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. Wenn diese Informationspflicht nicht eingehalten wird, ist das auch kein Straftatbestand, sondern der Arzt oder die Ärztin begehen eine Ordnungswidrigkeit. Deshalb sind beide Alternativen meilenweit von dem FDP-Entwurf entfernt und erst recht natürlich von den Vorstellungen der CDU. Ich persönlich werde leidenschaftlich dafür kämpfen, daß es diese Pflicht zur Information nicht gibt.
Mit welcher Begründung?
Auch ich finde es wünschenswert und notwendig, daß Frauen sich umfassend über alle sozialen Leistungen informieren. Aber die Verpflichtung könnte den Verdacht nahelegen, wir hielten die Frauen nicht für mündig. Ich halte sie für mündig. Und ich meine, daß wir unser Ziel auf andere Art erreichen können, zum Beispiel durch bessere Aufklärung in den Schulen.
Was passiert nach der Zwölf-Wochen-Frist? Müssen die Ärzte und ÄrztInnen Indikationen stellen?
Zunächst: Die Frau ist immer straffrei. Ärztinnen oder Ärzte, die nach der zwölften Woche eine Schwangerschaft abbrechen, müssen einen medizinischen Grund oder einen in der körperlich-geistigen Problematik der Frau liegenden Grund angeben. Das heißt aber nicht, eine Indikation zu stellen. Wer sich als Ärztin oder Arzt überzeugt hat, daß ein medizinischer oder psychischer Grund vorliegt, kann die Schwangerschaft abbrechen. Es ist für die Frau kein Hürdenlauf.
Die Kosten für die sozialen Leistungen, die in dem Entwurf vorgesehen sind, werden auf sieben Milliarden geschätzt. Wird die Fristenlösung womöglich am Veto der Länder-Finanzminister und -ministerinnen scheitern?
Sieben Milliarden sind der Einstieg, es wird noch zu höheren Kosten kommen, wenn wir das Recht auf einen Kindergartenplatz ausbauen und hinreichend Krippenplätze anbieten. Wer erklärt, er nehme es mit dem Schutz des werdenden Lebens ernst und mit dem Schutz des Lebens der Frau, der kann sich nicht hinter Zahlen und Kosten verstecken. Wir sind eine Gesellschaft, die sich vieles leistet — vom Golfkrieg bis zu sehr hohen Verteidigungsausgaben. Ich denke nicht, daß wir ausgerechnet beim Schutz von Müttern und Kindern sparen können.
Was wird im Herbst in Bonn passieren? Sehen Sie eine Mehrheit für die Fristenlösung? Wie sieht es mit der FDP aus?
Ich kann nur hoffen, daß wir mit der FDP zu einem Konsens kommen, der etwas mehr auf unseren Weg einschwenkt. Doch das bleibt den Verhandlungen überlassen. Und ich hoffe, daß sich Abgeordnete aus den kleineren Parteien und auch vernünftige Menschen aus der CDU uns zugesellen. Denn was gegenwärtig in der CDU läuft ist wirklich rundum frauenfeindlich. Interview: Helga Lukoschat
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