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INTERVIEW„Der rationale Diskurs ist ausgeschaltet“

■ Marko Hren, Aktivist der slowenischen Friedensbewegung, sieht keinen Spielraum für gewaltlosen Widerstand

Am Mestni Trg 13, mitten in der Altstadt Ljubiljanas, ist das Büro des „Zentrums für die Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit“ gelegen. In den Räumen des ersten Stocks eines teuer und geschmackvoll renovierten Hinterhofes, genau über einer Boutique gelegen, treffen sich nun permanent die AktivistInnen der slowenischen Friedensbewegung.

taz: Das Militär bereitet sich offensichtlich auf einen zweiten Schlag gegen Slowenien vor. Was kann denn da noch eine Friedensbewegung ausrichten?

Marko Hren: Der Krieg fiel nicht vom Himmel, es gab in den letzen Jahren den Prozeß hin zur gewaltsamen Auseinandersetzung. Wir haben auf die Gefahren hingewiesen, es wurden aber viele Fehler bei den Verhandlungen gemacht. Uns bleibt jetzt nur, mit den Leuten gewaltlose Wiederstandsformen zu diskutieren.

Das klingt ein bißchen hilflos ...

In der Tat, nachdem das Militär angegriffen hat, sind alle für den Frielden, aber kaum noch jemand ist jetzt für Gewaltlosigkeit.

Die jetzige Regierung hat den Tag X mit den bescheidenen militärischen Mitteln offensichtlich gut vorbereitet, um die jugoslawische Volksarmee zu überraschen. Diese militärische Option brauchte aber nicht die einzige Opition zu sein, um den Unabhängigkeitswillen der Bevölkerung vor aller Welt zu dokumentieren.

In der Tat. Im vorigen Jahr hatten wir noch vorgeschlagen, einen Verhandlungsprozeß zu beginnen, zu dem auch internationale Experten hinzugezogen werden sollten. Die neue Regierung besteht nicht aus Diplomaten, sondern aus Amateuren, die mit solchen Verhandlungen keine Erfahrung haben.

Wenn man sich jetzt so die Jungs von der Territorialverteidigung anguckt, wie sie mit ihren Knarren da rum spielen und ja auch rumballern müssen, wie es Dienstag morgen wieder der Fall war, dann bedeutet der Krieg etwas völlig Neues in dieser Gesellschaft, nämlich die totale Militarisierung. Voriges Jahr waren selbst Verteidigungsminister Jansa und Präsident Kucan Sympathisanten der Friedensbewegung und traten für eine entmilitarisierte Region ein.

Ja, die Demokratisierung wurde schließlich durch gewaltlose Mittel herbeigeführt. Aber dann wollten viele plötzlich diese Demokratie auch mit militärischen Mitteln verteidigen. Das bedeutet Kooperation mit den potentiellen Gegnern statt Konfrontation, ein überzeugendes Eintreten für die Neutralität, Entwicklung der Gesellschaft in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht, Dezentralisierung etc. Außerdem wünschen wir mehr Beteiligung der Menschen an der Macht, mehr Macht von unten.

Ich finde das in der jetzigen Situation ziemlich abstrakt. Nochmals: Gibt es eine konkrete Möglichkeit, Leute in Slowenien zu mobilisieren, die eine andere Form des Widerstands praktizieren wollen, um ein möglichst schnelles Ende der Schießereien zu erreichen?

Ich befürchte, daß es dazu heute keinen politischen Spielraum mehr gibt. Ich persönlich wurde schon auf der Straße angefeindet und angegriffen, weil wir für die Abrüstung eingetreten sind. Selbst die Oppositionsparteien, die uns bisher unterstützten, sind eingeschwenkt auf die Generallinie in der Gesellschaft. Im Augenblick gibt es Krieg, der rationale Diskurs ist ausgeschaltet. Wir bereiten allerdings eine offene Diskussionsveranstaltung vor. Das ist etwas, was wir noch tun können. Interview: Erich Rathfelder, Ljubljana

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