INTERVIEW: „Gefährlicher als Steinkohle“
■ Für Prof. Klaus Michael Meyer-Abich, Mitglied der Klima-Enquete-Kommission des Bundestags, ist Strom aus Braunkohle die klimaschädlichste Technik
taz: Die meiste Braunkohle wird in Großkraftwerken verstromt. Hat diese Technologie Zukunft?
Meyer-Abich: Der Stand der energiepolitischen Diskussion ist, daß Energieeinsparung absolute Priorität genießen soll vor jeder Art der Energienutzung. Daraus folgt, daß unsere Energieversorgung und auch die Elektrizitätsversorgung sehr viel effizienter angelegt werden muß als bisher. Die Braunkohleverstromung in Großkraftwerken ist betriebswirtschaftlich rentabel, nach dem volkswirtschaftlichen Sinn wird aber mal wieder nicht gefragt. Es wäre selbstverständlich sinnvoller, Energie effizienter einzusetzen — und das heißt mit möglichst viel Kraft-Wärme-Kopplung. Nur kann man da mit Braunkohle nicht viel anfangen.
Was folgt daraus? Es wird, abgesehen von der Kraft- Wärme-Kopplung, ja auch zukünftig einige Großkraftwerke geben. Aber dann ist die Frage, ob das ausgerechnet Braunkohlekraftwerke sein sollten und ob es ausgerechnet die im rheinischen Revier sein sollten. Wir haben ein großes Braunkohleproblem in den fünf Ostländern, die ja zumindest übergangsweise darauf angewiesen sein werden, Braunkohle zu verbrennen. Daß wir in den westlichen Ländern den Strom aus der Braunkohle brauchten, ist schlichter Unsinn.
Sie streiten für einen längerfristigen, weitgehenden Ausstieg auch aus den fossilen Energieträgern, um das Klima zu retten. Welche Rolle spielt Braunkohle beim CO2-Ausstoß?
Wir müssen unseren CO2-Ausstoß bis spätestens zur Mitte des nächsten Jahrhunderts insgesamt auf 20 Prozent des gegenwärtigen Niveaus drücken. Das ist auch der Vorschlag der Klima-Enquete-Kommission des Bundestags. Bis 2005 hat die Enquete-Kommission eine Verringerung um 30 Prozent vorgeschlagen. Das müßten alle Industrieländer so machen. Sonst verläuft die Entwicklung — vor allem in den Ländern der Dritten Welt — katastrophal. Bei weitem die geringste Klimaverträglichkeit hat nun aber ausgerechnet die Braunkohle. Pro Kilowattstunde Stromerzeugung aus Braunkohle werden 1,18 kg CO2 emittiert, bei Steinkohle sind es 0,97 kg, bei Erdöl 0,85 kg und bei Erdgas 0,53 kg CO2. Braunkohle zu verbrennen, ist unter Gesichtspunkten der Klimaschädlichkeit also mehr als doppelt so gefährlich wie Erdgas und immer noch wesentlich gefährdender als Steinkohle. In dieser Situation halte ich es erneut für vollkommen unverantwortlich, in dem Energiemix zur Stromerzeugung jetzt ausgerechnet der Braunkohle eine solche Priorität zu geben, wie es durch eine Entscheidung für Garzweiler II geschehen würde. Wir würden uns damit langfristig auf die klimaschädlichste Technik festlegen.
Braunkohle muß aber im Gegensatz zur Steinkohle nicht subventioniert werden.
Ich meine, die Preise aller Energieträger sollten durch eine entsprechende Klimaabgabe auf das reale Niveau unserer Steinkohle angehoben werden. Dann ist das erledigt. Die Braunkohle würde mit Abgaben belastet, und wir brauchten die Steinkohle nicht mehr zu subventionieren.
Die IG Bergbau kämpft für die Tagebaue im rheinischen Revier, weil bei Rheinbraun 15.000 Menschen arbeiten.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum man definitiv umweltschädliche Produktionszweige der Arbeitsplätze wegen aufrechterhalten will. In einer so reichen Gesellschaft wie der unseren dürfte es eigentlich keinem Arbeitnehmer zugemutet werden, durch die Arbeit, die er oder sie leistet, mehr Schaden anzurichten als Nutzen. Es sollte ein Ziel der Gewerkschaften sein, solche Arbeitsplätze abzuschaffen oder dafür zu sorgen, daß sie „humanisiert“ werden — in dem Sinne, daß sie wirklich Nutzen stiften für die Gemeinschaft. In der IG Metall sind ja solche Ziele schon im Gespräch. Vielleicht kann die IG Bergbau sich da mal von der IG Metall ein bißchen beraten lassen. Interview: Bettina Markmeyer
Prof. Klaus Michael Meyer-Abich, Philosoph und Physiker, arbeitet in Essen im Kulturwissenschaftlichen Institut des Wissenschaftszentrums von Nordrhein-Westfalen
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