piwik no script img

INTERVIEW„Der König würde niemals einseitig Partei ergreifen“

■ Prinz Aleksander II. Karadjordjevic, Thronfolger des serbischen Königshauses, betritt erstmals serbischen Boden

Heute wird der 1945 im Londoner Exil geborene serbische Thronprätendent Prinz Aleksander II. Serbien besuchen. Belgrad hat sich für den historischen Besuch geschmückt, an Zeitungskiosken künden die großen Buchstaben der Wochenblätter die Premiere euphorisch an: „Der König kommt!“ In den Restaurants werden nun Aleksander-Torten und Karadjordjevic-Schnitzel serviert. Alle serbischen Parteien begrüßen den Besuch, hegen jedoch ganz unterschiedliche Erwartungen an die Rolle des Königs, die er in Verfassung und Politik einnehmen könnte. Die nationalistischen Extremisten sehen dem Thronfolger mit gemischten Gefühlen entgegen, zeigte doch Aleksander in bisherigen Interviews Züge von Weltbürgerlichkeit.

taz: Der Krieg in Kroatien wird immer brutaler, nun hat er auch Dubrovnik, die „Perle der Adria“, erreicht. Der ehemalige Sommersitz des Königshauses könnte wie die wunderschöne Altstadt Dubrovniks bald in Schutt und Asche liegen. Was empfinden Sie bei diesen Nachrichten?

Karadjordjevic: Ich bin sehr bestürzt darüber. Nur Europa kann diese gewaltsamen Auseinandersetzungen in meinem Heimatland noch schlichten. Wie in anderen Kriegssituationen können Friedensverhandlungen nur noch auf neutralem Boden, vielleicht in Genf, zum Erfolg führen. Unabdingbar ist die Teilnahme aller Konfliktparteien an den Verhandlungen, ich glaube, Schuldzuweisungen für nur eine Seite zu geben, ist falsch. Ich weiß, Menschen sterben auf allen Seiten.

Wollen Sie Friedensverhandlungen unter Ihrer Mitwirkung, wie dies die kleine „Radikale Volkspartei Serbiens“ vorschlägt? Diese Partei wollte Sie schon in Den Haag als serbischen Vertreter sehen, damit endlich das Präfix „bolschewistisch“, das der serbischen Regierung anhaftet, verschwindet.

Es geht nicht um meine Person, es geht um alle Konfliktparteien, die an einen Tisch gebracht und gezwungen werden müssen, Frieden zu schließen.

Reisen Sie deshalb nach Belgrad? Warum versuchten Sie nicht schon früher, in Jugoslawien zu vermitteln, als die Chancen auf Verständigung noch besser waren?

Bisher wurde mir die Einreise nach Jugoslawien verweigert. Jetzt komme ich, um offiziell an den Gedächtnisfeiern meines Großvaters, der am 9.Oktober 1934 in Marseille ermordet wurde, teilzunehmen. Aber mein Hauptanliegen ist dabei, Frieden zu stiften. Ich hoffe, daß meine Person etwas auszurichten vermag. Ich möchte mit allen Seiten sprechen, mit allen Parteien, niemanden ausschließen. Alle Völker müssen an Friedensgesprächen beteiligt sein, es darf nicht über den Kopf der Menschen etwas entschieden werden. Ich wünsche mir, daß es mir gelingen wird, alle Seiten an einen Runden Tisch zu bringen.

Doch offiziell wurden Sie nicht von der jugoslawischen Regierung oder dem jugslawischen Präsidenten eingeladen, sondern von der serbischen Opposition, die ihrerseits serbische Ziele und nicht gesamtjugoslawische verfolgt. Der Oppositionspolitiker Vuk Draskovic und seine „Serbische Erneuerungsbewegung“ sprechen sich bereits für eine repräsentative Monarchie, ähnlich der in Großbritannien aus. Als was fühlen Sie sich, als Jugoslawe oder Serbe?

Ich bin stolz darauf, ein Serbe zu sein. Ich kann meine ethnische Herkunft nicht verschweigen und will es auch nicht. Das ist das eine. Doch viel wichtiger als die Spekulation über ein zukünftiges Jugoslawien ist für mich die Frage, wie können Menschen- und Bürgerrechte verwirklicht werden, wie die Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Ich werde niemals einseitig Partei ergreifen. Ich bin im Westen aufgewachsen, ich möchte ein modernes westliches Jugoslawien mit moderner Wirtschafts- und Staatsform.

Könnten Sie sich einen Austritt Sloweniens, Kroatiens, vielleicht auch der Kosovo-Albaner aus dem heutigen Jugoslawien vorstellen?

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist unantastbar. Realitäten mit Waffengewalt zu schaffen, ist unannehmbar.

Erst seit kurzem lernen sie Serbisch. Sie kennen Westeuropa, doch glauben Sie, auch osteuropäische Verhältnisse einschätzen zu können?

Die ganze Familie lernt sehr fleißig Serbisch. Ein Traum ist für mich wahr geworden, ich fühlte mich immer mit Jugoslawien verbunden und ich hoffe, daß meine Anwesenheit neue Hoffnungen weckt und westliche Demokratievorstellungen durch mich in meine Heimat getragen werden. Ich möchte schlichten und Frieden schaffen. Das allein ist meine Aufgabe. Interview: Roland Hofwiler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen