INTERVIEW: Kirche sollte lieber Taten predigen
■ Frauke Hoyer vom Flüchtlingsrat Berlin fordert kirchliches Engagement gegen Fremdenhaß
taz: Der Fremdenhaß ist in den lezten Wochen erschreckend eskaliert — die Kirchen schweigen.
Frauke Hoyer: In der Kirche sind es immer einige wenige, die an der Basis arbeiten, in Kirchengemeinden. Und die tun sehr viel für die Füchtlinge. Von der Kirchenleitung kommen zwischenzeitlich Statements wie immer schon, ohne daß ein direktes Engagement zu sehen ist.
Was sollte sie stattdessen tun?
Die Gemeindemitglieder ganz deutlich auffordern, sich Kampagnen gegen Fremdenhaß anzuschließen und selber welche zu initiieren. Ganz deutlich sagen, daß sie sich vor die Flüchtlinge stellen und sie schützen werden. Ich kenne schon sehr viele engagierte Kirchengmeinden — auch im Osten —, die Flüchtlinge aufnehmen wollen.
Mir scheint die Solidarität gegenüber Ausländern in der Kirche nicht ungebrochen.
Natürlich gibt es viele Leute in der Kirche, die eine ganz klare solidarische Haltung haben. Genauso gibt es die anderen, die sich zurückhalten, nicht reinziehen lassen wollen. Die sich einfach nicht genug engagieren und nicht öffentlich protestieren, wenn Diffamierungen und Verleumdungskampagnen von Politikern laufen. Da werden zuviele Rücksichten genommen.
Hat die Kirche in diesem Zusammenhang überhaupt eine besondere Aufgabe?
Es ist die innerste Pflicht der Kirche, dazu aufzurufen, sich der Schwachen, Armen und Bedrängten anzunehmen. Es ist auch eine wesentlich christliche Aufgabe.
Was sollte ganz konkret getan werden?
Das, was jetzt schon angefangen hat. Daß die Gemeinden sich den Flüchtlingen zuwenden, daß sie sie einladen, daß sie in die Heime gehen. Durch persönliche Begegnung muß persönliche Betroffenheit und Verständnis entstehen.
Und Zivilcourage.
Wenn die Zivilcourage weiter wächst in dieser bedrohlichen Zeit, dann werden auch immer mehr Menschen sagen: Wir tolerieren diesen Ausländerhaß nicht mehr, auch wenn wir selber Angst haben. Dann kann ich mir vorstellen, daß die Gegenbewegung so stark wird, daß diese fast schon akzeptierten Gewaltverbrechen nicht so weiter gehen werden.
Ist damit auch die schweigende Masse zu beeinflussen?
Was mich stört, ist diese Ja-Aber-Diskussion. Was ich vermisse, ist, ganz klar zu sgen: Es gibt keinen Mißbrauch von den Menschen die Asyl suchen. Der Mißbrauch wird betrieben von den Politikern, die sagen, das ist Mißbrauch. Diese Menschen sind keine Masse, die verfügbar und abschiebbar ist. Da muß man ganz klar gegenhalten und auch mehr Druck auf die Politiker ausüben, die so eine schamlose Debatte über Wochen und Monate treiben — mit diesen katastrophalen Folgen.
Halten Sie Sammellager für eine akzeptable Lösung?
Das ist grauenhaft. Das hatten wir ja in Deutschland schon mal. Da werden wieder Menschen mit allen Nationalitäten und entsprechenden Nationalitäten- und Völkerkonflikten zusammengespfercht. Das ist eine ganz entwürdigende Sache. Interview: Bascha Mika
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