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INTERVIEW„Die Souveränitätserklärung Bosniens ist ungültig“

■ Für den Informationsminister Bosniens, Vilibor Ostojic, wurde den Serben durch das Parlament der Kampf angesagt

taz: Sie vertreten die Republik Bosnien als Informationsminister gegenüber der internationalen Öffentlichkeit. Andererseits sind Sie der Nationalität nach Serbe. Wie bewerten Sie die Unabhängigkeitserklärung des Parlaments von Sarajewo am Dienstag morgen?

Vilibor Ostojic: Mit einem Wort: Die Souveränitätserklärung ist ungültig. Nicht deshalb, weil sie im Parlament keine Zweidrittelmehrheit fand, sondern weil sie gegen die neue bosnische Verfassung verstößt. Nach dieser Verfassung dürfen Entscheidungen über Verfassungsreformen, über Wege hin zu Eigenstaatlichkeit nur im Einklang aller drei Völker Bosniens entschieden werden. Doch was geschah nun? Muslimanen und Kroaten setzten sich über den Willen des serbischen Volkes hinweg, das nicht in einem von Jugoslawien losgelösten Bosnien leben will. Wie Sie wissen, nahm die „Serbische Demokratische Partei“ Bosniens nicht an der Abstimmung teil. Diese Partei vertritt aber über 30 Prozent der bosnischen Bevölkerung — mindestens 30 Prozent der Einwohner wurden so von der zukunftsweisenden Entscheidung ausgeschlossen. Das ist nicht mit einer Demokratie zu vereinbaren.

Was ist Ihre Alternative?

Alle Völker Jugoslawiens müssen sich an die europäischen Abmachungen von Den Haag halten. Auf diesen Friedenskonferenzen wurde vereinbart, daß kein Volk einseitige Entscheidungen zu Ungunsten eines anderes Volkes fällt, wie jetzt in Bosnien geschehen.

Könnte ihrer Meinung nach ein Referendum klären, ob tatsächlich die Mehrheit der bosnischen Bevölkerung in einem souveränen Staat leben möchte?

Ein Referendum ist unnötig. Wir hatten doch freie Wahlen, und da zeigte sich, daß die „Serbische Demokratische Partei“ über 90 Prozent der Stimmen aller Serben in Bosnien bekam. Die Verfassung wurde von muslimanischen und kroatischen Politikern willkürlich gebrochen. Ein gefährlicher Bruch, der zum Bürgerkrieg in Bosnien führen könnte.

Wurde diese Bürgerkriegsgefahr nicht auch von serbischer Seite provoziert? Es waren doch serbische Politiker gewesen, die in Bosnien in den letzten Wochen sogenannte „Autonome serbische Regionen“ ausriefen. Ist das mit der Verfassung in Einklang zu bringen?

Bisher sind diese autonomen Gebiete nicht als eigenes staatliches Gebilde ausgerufen worden, mehr als eine Willensbekundung der örtlichen Bevölkerung ist das nicht gewesen. Es gab keinen einzigen Schritt zur Abspaltung von Bosnien. Das ist überhaupt nicht mit dem jetzigen einseitigen Schritt der kroatischen und muslimanischen Abgeordneten zu vergleichen.

Setzen Sie da bereits auf die jugoslawische Bundesarmee als Beschützer der serbischen Minderheit in Bosnien?

Unsere jugoslawische Armee wird in diesen Tagen oft in den Schmutz gezogen. Dabei ist sie die Macht, die unnötiges Blutvergießen zu verhindern sucht. Nach der geltenden jugoslawischen Verfassung ist es ihre Pflicht, bedrohten Menschen zu Hilfe zu kommen. Ohne ihr entschiedenes Auftreten in Kroatien wäre Bosnien schon längst im blutigen Chaos versunken.

Das sieht man im Ausland aber anders...

Das weiß ich nur zu gut. Und mich wundert, wie einseitig deutschsprachige Medien für Kroatien Partei ergreifen. Wer hat denn als erster geschossen? Illegale kroatische Verbände auf die jugoslawische Armee! Wir sind auch über die Ratschläge verwundert, Jugoslawien solle sich in einen Bund souveräner Staaten umformen. Warum ist Deutschland keine Konförderation? Warum ein Bundesstaat? Wissen Sie, erst brachte man uns Marx, damit wir mit seinen sozialistischen Ideen experimentieren, jetzt die verrückte Idee einer Konföderation. Jugoslawien bleibt, was es ist: ein Bundesstaat, und allen sezessionistischen Ideen werden wir eine Absage erteilen.

Auch mit Waffengewalt, wenn es sein muß?

(Informationsminister Ostojic ist nicht bereit, weiter zu antworten.) Das Gespräch führte Roland Hofwiler

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