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INTERVIEW„Die Wismut will das bei der Sanierung anfallende Uranoxid vermarkten“

■ Inge Lindemann, Greenpeace-Mitarbeiterin und Wismut-Expertin, über Uranerzförderung, die man Sanierung nennt, und über die Pläne eines Endlagers für Atommüll

taz: Frau Lindemann, die Geschäftsleitung der Wismut behauptet, seit dem 1. Januar 1991 kein Uran mehr zu fördern. Stimmt das?

Inge Lindemann: Das ist eine Interpretationssache. Bis zum 31. Dezember 1990 ist in den noch im Betrieb befindlichen Wismut-Schächten in drei Schichten rund um die Uhr Erz gehauen worden. Mit der Begründung, das Erz müsse geschlagen und herausgefahren werden. Das Herausfahren hat man natürlich nicht bis zum 31. Dezember 1991 geschafft. Da ist man heute noch dabei. In meinen Augen ist das auch Uranerzförderung. Darüber hinaus wird in Königsstein das Erz nicht nur aus dem Berg geholt, sondern in einem anderen technischen Verfahren, dem Laugen, in flüssiger Form herausgefiltert und dann in die Aufarbeitungsanlage Seelingstädt transportiert.

Die Wismut begründet den Uranerzabbau mit der notwendigen Sanierung. Heißt Sanieren Weiterschürfen?

Was die Wismut unter Sanieren versteht, ist all das, was sie derzeit macht: Uranerz aus dem Boden holen, Halden abtragen und radioaktiven Schrott in Schlammteiche kippen. Alles, was in die Aufarbeitungsanlage nach Seelingstädt gefahren werden kann, wird dorthin gebracht. Nach Angaben der Wismut werden weiterhin jährlich 20 bis 30 Tonnen Uranoxid aus der Aufarbeitung anfallen, 150 bis 200 Tonnen aus der auslaufenden Förderung im sächsischen Königsstein.

Was passiert mit dem Uran?

Das Uran wird aus dem Berg geholt und in Form von Erz in die Uranaufarbeitungsanlage Seelingstädt gebracht. Dort wird es zermahlen und weiterverarbeitet zu Uranoxid, auch „yellow cake“ genannt, weil es wie gelber Kuchen aussieht. Dieses „yellow cake“ wird in Tonnen verpackt, die in beträchtlichen Mengen auf dem Gelände in Seelingstädt stehen. Die Anlage dort hat keine atomrechtliche Betriebsgenehmigung, noch hat sie Auflagen dafür, daß größere Mengen Uranoxid gelagert werden dürfen. Zur Zeit lagern dort aber 900 Tonnen Uranoxid.

Um das Uranoxid abzusetzen, hat die Wismut mit der Firma Interuran einen Agenturvertrag abgeschlossen...

Das ist richtig. Die Wismut will das beim Sanieren anfallende Uranoxid vermarkten. Daß heißt de facto, daß die Tätigkeiten, die die Wismut gegenwärtig unter Sanierung laufen läßt, im Augenblick vom Steuerzahler bezahlt werden, denn noch ist die Treuhand Eigentümerin dieses Bereiches. Das wird auch auf absehbare Zeit so bleiben, da die Sanierungskosten mehrstellige Millionenbeträge ausmachen. Hier wird spekuliert, daß man aus dem Abraum, dem Haldenmaterial, den radioaktiv und chemisch verseuchten Altlasten des deutschen Uranabbaus in Sachsen und Thüringen Profit schlagen will, in dem man Uranoxid herstellt. Es ist keine Rede davon, die Aufbereitungsanlage Seelingstädt stillzulegen. Die Uranproduktion ist vor einem Monat runtergefahren worden, wird aber mit einem Erzdurchsatz von 200.000 Tonnen pro Jahr weitergefahren. Das heißt, Uranoxid wird auf absehbare Zeit weiter produziert und von Interuran „vertickt“.

Und wer kauft das?

Das geht in alle Welt und findet Verwendung in den Brennelementen der Atromkraftwerke sowie auch in der Atomwaffenindustrie. Aber zur Zeit warten Wismut und Interuran auf den Zeitpunkt, das Uranoxid günstiger abzusetzen. Der Weltmarktpreis ist zur Zeit sehr niedrig.

Wismut begründet die weitere Förderung mit geologischen Gegebenheiten: Die Stollen müssen leergeschürft werden, damit sie geflutet werden können. Sonst würde das Grundwasser verseucht...

Diese Begründung kann ich zur Zeit weder bestätigen noch dementieren. Wir haben anderslautende Aussagen bereits vorliegen, die wir noch überprüfen. Das Fluten ist sehr problematisch. Zwischen Gera und Aue im Erzgebirge verläuft eine große alte geologische Störungszone, die ihr Zentrum unterhalb des Bergbaubetriebs Drosen bei Ronneburg hat. Dort kreuzen sich zwei Hauptverkehrswege für die Grundwasserführung. Außerdem ist dieses Gebiet das erdbebengefährdetste in den neuen Bundesländern. Im Grunde will man sich das Problem so schnell wie möglich vom Hals schaffen, man verkauft alles als Sanierung. Es soll möglichst kostengünstig sein, und es soll noch was dabei abfallen. Aus den Atomabfällen sollen Wertstoffe gemacht werden, die man dann noch verkaufen kann.

Also auf der einen Seite kassieren sie Sanierungsgelder, auf der anderen Seite machen sie selbst Gewinn?

Ja, das kann man so sagen. Aber es gibt Gebiete, die nicht mehr sanierbar sind. Mit dem Wort Sanieren wird der Eindruck erweckt, es würde wieder alles gut werden.

In der letzten Woche hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, nach dem die Wismut freie Hand auf ihrem Terrain hat...

Dieses Gesetz eröffnet der Wismut in der Tat alle Möglichkeiten, wieder aktiv in den Uranabbau einzusteigen und die Uranverarbeitung und die Uranoxidproduktion in uneingeschränktem Maße fortzusetzen.

Halten Sie das für möglich und wirtschaftlich?

Vor anderthalb Jahren wurde schon von der EG gesagt, daß noch 66.000 Tonnen Uranerz in den zugängigen Minen zu fördern sind. Und weitere 55.000 Tonnen Erz sind noch nicht erschlossen. Es sind also noch Restbestände von dem ehemals größten Uranabbaugebiet Europas im Boden. Ein Ex-Wismut-Mitarbeiter hat das so ausgedrückt: Auf dem Gebiet der Ex-DDR soll noch eine zweifache Welt-Jahresproduktion im Boden liegen. Und wenn man bedenkt, daß die Bundesregierung möglicherweise Zugang zu eigenen strategischen Reserven haben möchte, ist es durchaus denkbar, daß man sich Optionen offenhält. Ich halte es trotzdem nicht für möglich, daß auf dem Terrain von Wismut wieder groß in den Uranbergbau eingestiegen wird.

Aber die Mengen würden das hergeben?

Die Mengen würden es nicht unbedingt hergeben, denn das Uran ist nicht so wertvoll, daß sich der Abbau weiter lohnen würde. Das Problem liegt auf einer anderen Seite. Die Wismut würde auch nicht mit anderen Unternehmen wieder groß in den Uranabbau einsteigen können.

Warum nicht?

Zum einen fehlt die politische Akzeptanz des Betriebes. Und zum anderen sind die Folgen des Uranabbaus in der Region zu offensichtlich.

Damit wären wir bei der Sanierung.

Bundesumweltminister Töpfer hat vor einem Jahr angekündigt, daß er aus der Wismut wieder eine grüne Wiese macht. Das wird schwer möglich sein. Weder die Bundesregierung noch die Wismut haben bis heute die Komplexität der Problematik erkannt.

Glauben Sie, daß die Wismut dort ein Endlager für Atommüll plant?

Diese Ideen hat es gegeben. Ich hoffe, daß sie aus allen Köpfen ausgeräumt wurden. Aber ich glaube, daß es Pläne gibt, nicht nur den eigenen Atommüll zu Uranoxid weiterzuverarbeiten.

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