INTERVIEW: Wichtiger als Qualifikation war das Kriterium Mann
■ Inge Wettig-Danielmeier zu Herta Däubler-Gmelins verlorener Wahl um den Posten des Fraktionsvorsitzes
taz: Frau Wettig-Danielmeier, kann eine Frau in der SPD doch nur Stellvertreterin werden?
Inge Wettig-Danielmeier: Nach dem gestrigen Ergebnis liegt dieser Schluß nahe. Bisher sind Frauen nur unter dem besonderen Druck der Alibifrau oder der Quotenfrau in Spitzenfunktionen gerückt, und da immer nur in Stellvertreterpositionen. Jedenfalls: niemals wurde eine die Erste.
Herta Däubler-Gmelin war gestern sogar favorisiert. Woran ist sie gescheitert?
Ich sage das mit Bitterkeit: Ich bin der Meinung, sie ist nicht Fraktionsvorsitzende geworden, weil sie eine Frau ist. Wäre sie keine Frau, hätte es gar keine Gegenkandidaten gegeben. Sie war und ist eindeutig diejenige, die sich mit der Arbeit der letzten zwanzig Jahre für die Spitze ausgewiesen hat.
In diesem Fall also wieder: Bei gleicher Qualifikation benachteiligt?
Herta Däubler-Gmnelin hatte sogar ein Mehr an Qualifikation anzubieten. Das Kriterium Mann war offensichtlich wichtiger als die Qualifikation.
Standen die Frauen der Fraktion hinter der Kandidatin?
Ich würde sagen, 90 Prozent der Frauen haben sie gewählt. Es gab sicher unter den Frauen auch einige, die der Meinung waren, eine so deutlich profilierte Frau, die ihre Erfolge nicht mit weiblichen Besonderheiten gewonnen hat, sondern nur in der harten Konfrontation mit Männern, sei nicht ihre Kandidatin. Aber das waren nur wenige.
Das heißt umgekehrt, daß 90 Prozent der weiblichen Abgeordneten den Fraktionschef nicht gewählt haben. Was erwarten die Frauen von ihrem neuen Vorsitzenden?
Der neue Fraktionsvorsitzende wird seine Haltung zur Gleichstellungspolitik deutlicher profilieren müssen. Er hat in der Vergangenheit eher ein distanziert-mildes Interesse gezeigt und anders als Vogel, Engholm, Brandt und Lafontaine nicht dezidiert gesagt: Das muß vorangebracht werden. Er hat sich nicht dagegengestellt, aber in der neuen Funktion muß er sehr deutlich und sehr offensiv in dieses Thema einsteigen. Alles andere wäre ein erheblicher Rückschritt.
Sind Sie da optimistisch?
Ich werde jedenfalls dafür kämpfen. Ob es mir gelingt, weiß ich nicht.
Klose hat angekündigt, daß er die Fraktionsspitze verkleinern will. Was erwarten oder befürchten die Frauen?
Ich kann mir nicht vorstellen, daß der neue Fraktionsvorsitzende eine Führung ohne Frauen zimmern will, und ich gehe auch davon aus, daß es nicht nur eine Stellvertreterin geben kann.
Zeigen sich an der Entscheidung Grenzen der Quotenpolitik, müssen Sie nicht neu überlegen?
Zunächst einmal zeigt die Entscheidung, daß die Quote immer noch die unerläßliche Krücke der Gleichstellung ist. Ich hatte nur gehofft, daß die Partei schon weiter sei. Von dieser Entscheidung geht überhaupt kein Signal an die Frauen und Gruppen aus, die uns gerade wegen unserer Gleichstellungspolitik unterstützt haben, auch bei Wahlen.
Die Wahlniederlage von Herta Däubler-Gmelin: Ist da so etwas im Spiel wie die Rache der Männer für das, was ihnen die Frauen mit der Quote abverlangt haben?
Ich will nicht psychologisieren. Jedenfalls sind die Männer in der Fraktion noch nicht so weit, eine Frau genauso zu akzeptieren wie einen Mann. Das steht fest. Interview: Tissy Bruns
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