INTERVIEW: »Wir hoffen auf Partnerschaften mit Ramiya«
■ Wilmersdorf hat eine Partnerschaft mit der israelischen Stadt Karmiel, die sich auf Kosten eines Beduinendorfes ausdehnen will/ Die Journalistin Roni Ben-Efrat traf sich deshalb mit dem CDU-Bezirksbürgermeister
Wilmersdorf ist Partnerstadt der israelischen Stadt Karmiel. Weil dort Neuankömmlinge aus der Sowjetunion angesiedelt werden, sollen die Beduinen der benachbarten Gemeinde Ramiya vertrieben werden. Der Fall Ramiya erregte bis in die Weltpresse hinein Aufsehen, da damit zum ersten Mal seit 1948 ein arabisches Dorf im Kernland von Israel von Zerstörung bedroht ist. Aus diesem Grund sprach Roni Ben-Efrat, derzeit in Deutschland weilende Sprecherin des israelischen Solidaritätskomitees für Ramiya, bei Horst Dohm (CDU) vor, dem Bezirksbürgermeister von Wilmersdorf. Die taz befragte die jüdische Journalistin nach diesem Treffen.
taz: Was veranlaßte Ihr Komitee, aktiv zu werden?
Roni Ben-Efrat: Das Komitee besteht wesentlich aus Mitgliedern verschiedener Gruppierungen der israelischen Linken und unabhängigen Friedensaktivisten. Auf einen dringenden Appell der BewohnerInnen Ramiyas hin, die sich im Juni dieses Jahres von einer Zwangsevakuierung bedroht sahen, wurde es ins Leben gerufen. wir traten schnellstens in Aktion und versuchten, die lokale wie internationale Presse, aber auch Menschenrechtsorganisationen und Abgeordnete der Knesseth (des israelischen Parlaments) zu informieren und die von uns inszenierte Protestkampagne einzubeziehen. Heute werden die Büros der israelischen Landadministration und des Bürgermeisteramtes von Karmiel geradezu bombardiert mit Telegrammen aus aller Welt, in denen sie aufgefordert werden, nach einer akzeptierbaren Lösung zu suchen. Karmiel hat Partnerstädte, die wir auffordern, Druck auf den Bürgermeister von Karmiel auszuüben, Ramiya in seine Stadt zu integrieren und den BeduinInnen die vollen Bürgerrechte zuteil werden zu lassen.
Sie sind mit dem Bezirksbürgermeister von Wilmersdorf zusammengetroffen, um ihm einen Brief Ihres Komitees zu übergeben. Wie hat er auf Ihr Ersuchen reagiert?
Zunächst drückte er sein Erstaunen darüber aus, daß derartige Probleme existieren. Er sagte, er sei überzeugt, daß zwischen der Stadt Karmiel und den benachbarten arabischen Dörfern gute und freundschaftliche Beziehungen bestehen. Ich informierte ihn über die Bedrohung, der die BewohnerInnen Ramiyas heute ausgesetzt sind, und unsere Kampagnen. Ich habe Herrn Dohm versichert, daß wir nicht die Absicht haben, die Beziehungen zwischen Karmiel und Wilmersdorf zu beeinträchtigen. Wir wollten ihn darauf aufmerksam machen, daß die Partnerstadt Karmiel dazu ansetzt, sich über die Ruinen des Dorfes Ramiya hinweg auszubreiten und daß es zu Wiederholungen dieses Aktes kommen wird, sollte dies gelingen.
Wie ist es möglich, daß die arabischen Gemeinden Israels solcher Gefahr ausgesetzt sind?
Das israelische Recht gibt den verschiedenen Regierungsstellen einen immensen Spielraum für Landenteignungen. Konfiszierungen von Land geschehen auf der Grundlage sogenannten öffentlichen oder militärischen Bedarfs oder auch, wenn Land einige Jahre nicht bewirtschaftet wurde. Der Fall Ramiyas ist besonders beunruhigend, weil das Land der Beduinen für öffentlichen Bedarf enteignet wurde, wir aber heute sehen, daß sowjetische EinwanderInnen diese Öffentlichkeit darstellen. Die Frage ist also: Warum sind jüdische EmigrantInnen mehr wert als arabische BürgerInnen, die seit jeher auf dem betreffenden Land gelebt haben und die über Dokumente bezüglich ihres Bodenbesitzes verfügen, die zurückgehen auf die Zeit vor 1948? Man kann das nicht anders bezeichnen denn als Rassismus. Wir sehen hier ein Beispiel dafür, daß jüdische EinwanderInnen aus der Sowjetunion vom israelischen Staat dazu benutzt werden, die arabische Existenz im Land zu unterminieren und den Konflikt zwischen Juden und Palästinensern zu verstärken.
Was wird der Bezirksbürgermeister auf Ihre Unterredung hin unternehmen?
Herr Dohm hat definitiv gesagt, er werde an seinen Amtskollegen in Karmiel, Adi Eldar, herantreten, um dessen Version der Geschehnisse in Erfahrung zu bringen.
Sie haben auf einer jetzt abgeschlossenen Vortragsreise durch Deutschland und Schweden mit vielen über Ihre Kampagne gesprochen. Welche Unterstützung erhoffen Sie sich hier?
Unser Appell richtet sich an alle progressiven Kräfte in Deutschland und anderswo. Unsere Idee ist, daß deutsche Städte eine Partnerschaft mit Ramiya errichten. Zudem hoffe ich, daß weiterhin Telegramme und Briefe des Protests gegen die Zwangsevakuierung und in Solidaität mit Ramiya an die israelischen Verantwortlichen gerichtet werden. Interview: Katrin Martens
Kontakt über Ramiya Solidarity Committee, fax 00972-2-251614.
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