INTERVIEW: „Schluß mit diesen Waffen“
■ Rupert Neudeck, Vorsitzender des Hilfskomitees Cap Anamur, über den Einsatz von „zivilen“ Panzerfahrzeugen
taz: Herr Neudeck, Sie haben das Verteidigungsministerium gebeten, Minenräumpanzer zur Verfügung zu stellen, um die Minen in Somalia räumen zu helfen. Zeichnet sich hier ein Entgegenkommen ab?
Rupert Neudeck: Das Verteidigungsministerium zeigt sich durchaus bereit, uns in dieser Sache zu helfen. Einmal, indem es uns schon einige Geräte, sogenannte Minensuchgeräte, zur Verfügung gestellt hat, zum anderen mittels Beratung und Unterstützung von Experten — die wir von Cap Anamur ja nicht sind. Schließlich durch seine Zusage, jetzt auch Minenräumpanzern zur Verfügung zu stellen.
Und wann können die zum Einsatz kommen?
Die Entscheidung ist schon gefallen. Das Bundesverteidigungsministerium hat großes Interesse an der Konversion solcher Waffen in zivile und humanitäre Instrumente. Wir werden also erleben, daß die Kanonen abgesägt werden und daß die Maschinengewehre abmontiert werden, damit sie in Somalia und anderswo ein völlig demilitarisiertes, humanitäres Gerät zur Räumung von Minen bekommen. Nur haben sich das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium noch nicht klar genug geäußert. Das Auswärtige Amt muß sagen, ob es politisch opportun ist, daß Cap Anamur Menschen mit solchen Minenräumpanzern das Leben rettet. Und das Wirtschaftsministerium muß sagen, ob das mit dem Waffenexportkontrollgesetz in Übereinstimmung zu bringen ist.
Warum passiert so etwas erst jetzt? Das Problem mit den Minen in Afghanistan, Somalia und Kambodscha besteht ja nicht erst seit gestern...
Zu meiner eigenen Beschämung muß ich sagen, daß mir die ganze Konsequenz dieses massenhaften Mordes erst klargeworden ist, als eine Krankenschwester des Komitees Cap Anamur in Somalia auf eine Antipanzermine gefahren ist und jetzt keine Beine mehr hat. Seit diesem Ereignis am 27. Juni 1991 haben wir immer wieder versucht, auf deutsche Produzenten von Minen einzuwirken, mit der Produktion dieser Mordinstrumente aufzuhören. Die „Furchtbarkeit“ dieser Waffe Landmine liegt ja darin, daß ganze Völker in der „Dritten Welt“ geknebelt und zu Geiseln dieser Waffe werden — weit über das Ende von Kriegen hinaus.
Was muß passieren, damit das aufhört?
Das Entscheidende wird sein, wie sich die europäische Öffentlichkeit, die Völker Europas sich dagegen wehren, daß endlich Schluß gemacht wird mit der Produktion jener unsäglichen Waffen. Die letzten Tage und Wochen des vergangenen Jahres haben bewiesen, daß eine überwältigende Mehrheit in der deutschen Bevölkerung das Wegräumen und Wegschaffen und ein Verbot solcher Waffen bejaht. Wir machen zur Zeit eine Unterschriftenaktion und werden nicht eher aufhören mit dieser Aktion, bis wir Millionen von Unterschriften zusammenhaben. Es wird dies ein kleines Plebiszit sein. Wir werden die Regierung und auch die Wirtschaftsbosse nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Interview: Jutta Lietsch
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