INTERVIEW: „Abkoppelung von anderen Branchen verhindern“
■ Theo Steegmann ist 2. Betriebsratsvorsitzender bei Krupp Rheinhausen und Mitglied der großen Tarifkommission der IG Metall
taz: Die Tarifkommission hat heute einstimmig für die Einleitung der Urabstimmung votiert. Warum wollen Sie unbedingt streiken?
Theo Steegmann: Uns steht der Sinn nicht besonders nach einem Streik, aber wir wollen einen Tarifabschluß, der sich an dem der Metallbranche, wo es 1991 6,7 Prozent mehr Lohn gab, orientiert. Die Stahlindustrie hat sich in den letzten Jahren durch immense Rationalisierungen zu einer hochmodernen Branche entwickelt. Was sich nicht verändert hat, ist das arrogante Auftreten und Denken der Stahlbosse. Die wollen uns in diesem Jahr wieder mit einem Niedrigstangebot abspeisen.
Die Arbeitgeber haben inzwischen 5,2 Prozent geboten. Wollen Sie ihre Kollegen tatsächlich für 1,5 Prozent mehr zum Streik aufrufen?
Der Tariflohn eines Stahlarbeiters liegt um elf Pfennig niedriger als in der Metallbranche. Diese Ungleichheit muß weg, und da reicht das Angebot der Arbeitgeber nicht aus. Nach meinem Eindruck sind die Stahlarbeitgeber deshalb so stur, weil die Arbeitgeber insgesamt den Stahlabschluß zum Pilotverfahren für die Tarifrunde 1992 auserkoren haben. Gegenüber der Gewerkschaft HBV haben zum Beispiel die Bankenvertreter erklärt, daß sie erst das Ergebnis im Stahlbereich abwarten wollen. Mit diesem Argument wurden die Verhandlungen im Bankenbereich ausgesetzt. Von daher geht es um eine grundsätzliche Auseinandersetzung, die wieder einmal von den Stahlarbeitern ausgefochten werden muß.
Ein wochenlanger Streik kostet die Stahlarbeiter mehr, als die zusätzlich erkämpfte prozentuale Erhöhung aller Voraussicht nach bringen wird...
Wir müssen die Abkopplung von anderen Branchen verhindern. Dafür können wir unsere Mitglieder durchaus mobilisieren. Die Stahlbelegschaften sind hoch organisiert und selbstbewußt. Es wäre ein großer Fehler, uns zu unterschätzen, denn ein Streik verläuft nach anderen Gesetzen als Verhandlungsrunden.
In vielen Stahlbetrieben läuft Kurzarbeit. Die Arbeitgeber wären doch froh, wenn sie ihre Leute nicht bezahlen müßten.
In den überwiegenden Stahlbereichen wird voll gearbeitet und gut verdient. Da würde ein Streik schon seine Wirkung erzielen. Durch die Erfahrungen aus dem Stahlarbeiterstreik 78/79 wären wir diesmal zudem in der Lage, einen erneuten Streik effektiver zu führen.
Glauben Sie, daß die Arbeitgeber bis zum Beginn der Urabstimmung ein neues Angebot vorlegen?
Ich würde ihnen zu einem wesentlich besseren Angebot raten. Man kann nicht hoch motivierte Mitarbeiter wollen, sie aber wie Arbeiter zweiter Klasse bezahlen. Das lassen sich die Stahlarbeiter nicht bieten. Interview: Walter Jakobs
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