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INTERVIEW»So ist das Leben, oder?«

■ Hugo Race kommt ins Huxley's

Er stand immer ein wenig im Schatten von Nick Cave — auch was den Wohnort Berlin anbelangt. Mit der LP »Earl' s World«, vor allem aber mit der aktuellen »Second Relevator«, versucht Hugo Race, seinen eigenen Claim zwischen Post-Punk, Blues und Rock-Ballade abzustecken. Astrid Eich sprach mit dem Exil-Australier:

taz: These Immortal Souls, Crime and the City Solution leben in Berlin, Nick Cave hat dort gewohnt. Alles Landsleute von dir. Zufall oder hat das einen besonderen Grund?

Hugo Race: Natürlich ist es wichtig, daß hier Freunde sind. Aber ein wichtiger Grund, weswegen ich es genieße, hier zu leben, ist: Hier ist alles in meinem Kopf, weil das, was um mich herum geschieht, in einer gewissen Distanz zu mir bleibt. Die relative Fremdheit gibt mir viel Freiheit und Ruhe zu arbeiten.

Der Name eurer Band klingt nach Mystik und Innerlichkeit. Hat das etwas mit deiner Vorstellung von Musik zu tun? Warum nennt ihr euch »The true Spirit«?

Das ist eine lange Geschichte. Ich mag das Wort »spirit«. Als ich begann, diese Art von Musik zu machen, fragte ich einen Freund in Melbourne, wie ich die Band nennen sollte. Er sagte: Nenn sie »The true spirit of God«. Es war zu lang. So nannte ich sie »The true Spirit«.

Deine Musik klingt oft wehmütig, irgendwie bluesgetränkt...

Ich bin ein Mittelklasse-Kind. Aber ich bin in einem Arbeiterviertel in Melbourne groß geworden. Da gibt es Bluesbands am Wochenende. Freitag und Samstag nacht und sie spielen die ganze Nacht durch. Ich begann ganz unwillkürlich Musik zu spielen, und das wiederum hatte damit zu tun, daß ich in einem Stadtviertel lebte, wo viel Musik gemacht wurde?

Warum, glaubst du, daß es gerade in Australien so eine volkstümliche Bluestradition gibt?

Vielleicht kommt das unter anderem durch die weite australische Landschaft. Da gibt es die Wüste, den Ozean, den Dschungel. Ich denke, das machte mich sensibel für eine Art von Musik. Mitte der achtziger Jahre hatte ich in Australien eine Band mit dem Namen The Wreckery. Wir spielten drei Jahre lang Rock 'n' Roll. Dann wollte ich etwas machen, das eine größere Tiefe hatte. Die Musik, in der ich diese größere Tiefe damals fand, war der alte Blues, den ich schon zehn Jahre lang gehört hatte. Der wahre Blues ist eine sehr direkte, leidenschaftliche Musik. Es sind bloß ein paar verschiedene Tonleitern, mit denen du arbeitest. Du kannst sie unablässig wiederholen, aber sie klingen trotzdem jedesmal total verschieden. Daher sind einige der schönsten Blues-Songs Hits mit fünf oder sechs verschiedenen Sängern geworden. Der Grund ist, daß weniger der Stoff wichtig ist, als die Leidenschaft, die Haltung und die Technik des Sängers und der Band, die jedes Stück und auf andere Weise zum Leben erwecken, es wirklich zu etwas Besonderem machen.

Früher hast du mehr oder weniger Solo-Alben veröffentlicht. Bei »Second Relevator« kommen jetzt erstmals deine Mitmusiker richtig zum Zuge.

Diesmal wollte ich auf keinen Fall eine weitere Version meiner zweiten Platte Earls World machen. Also habe ich beschlossen, etwas anderes zu machen. Ich arbeitete viel mit der Band und machte daher eine Art Bandplatte.

Von der Düsternis deines früheren Weggefährten Nick Cave hast du dich jedenfalls ziemlich entfernt. Irgendwie klingt das Ganze optimistischer, aber auch eingängiger.

Das liegt am Rock-Aspekt. Earls World ist keine Rock-LP. Es ist eine LP, auf der manchmal Rockrhythmen, -Klänge und -Stimmungen eingeflossen sind, aber es war überhaupt keine Rock-Platte. Es war etwas ganz anderes. Ich komme aber aus einer Rocktradition, und ich wollte mehr dahin zurückkommen. DaßSecond Relevator konventioneller klingt, liegt am sexuellen Impuls des Big Beats. Das ist es, worum es in der ganzen Rockmusik immer geht.

Auf allen deinen Alben finden sich Coverversionen. Woher kommt deine Vorliebe für die Adaption traditioneller Songs?

Meist habe ich die alten Stücke ewig nicht gehört. Alles, woran ich mich dann erinnere, ist das Gefühl, das dieser Song mir damals gab. Ich muß ihn also nicht nachspielen, sondern neu erschaffen. Auf diese Weise ist meine Version von John Lee Hookers Send me a pillow zustande gekommen oder die von Bob Dylans It's Alright, Ma. Das sind Träume von vor zehn Jahren.

Das Eingangsstück auf deinem neuen Album ist River of No Return, der sentimentale Titelsong eines Western-Melodrams mit Marilyn Monroe. Was bedeutet »No Return« für dich?

So ist das Leben, oder? Du wirst geboren und du stirbst. Ich meine, du kannst nicht vom Zug springen, wenn er angefahren ist. Es ist keine Frage, wie clever das Konzept, das Arrangement oder die Ausführung ist. Es ist eine Frage des Gefühls. Musik kann Leute auf eine ganz andere Weise packen als Literatur oder Film. Sie hat noch eine direkte Kraft. Das ist der Grund, weswegen ich, so oft ich in anderen künstlerischen Bereichen gearbeitet habe, immer zur Musik zurückkam.

Was hälst du von HipHop, Dance Floor und solchen Sachen?

Wenn du dir Acid oder Exstasy reinknallst und zu irgendeiner House-Party gehst, kannst du da recht intensive Erfahrungen machen. Auf der anderen Seite ist es die Frage, wie lange du dich auf den Beinen halten kannst.

Hugo Race and The True Spirit spielen heute abend um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt.

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