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INTERVIEWDer Rücktritt ist kein Eingeständnis von Schuld

■ Gustav Just über seinen Rücktritt, die Gründe dafür und seine Rolle als Soldat in Nazi-Deutschland

taz: Sie haben am Montag gesagt, Sie machen Ihr Verhalten von den Beschlüssen der SPD abhängig. Nun legen Sie von sich aus Ihr Mandat nieder. Warum?

Gustav Just: Es gab sowohl im Landesvorstand wie auch in der Fraktion viele Stimmen, die meinten, ich solle bleiben. Aber ich meine eben, daß ich mich als Privatmann besser wehren kann. Alle Angriffe, die gegen mich kommen, richten sich sonst automatisch gegen die Fraktion.

Wußte die SPD-Fraktion Bescheid?

Ich war der Meinung, seit 1957 ist das alles bekannt. Aber es war kein Anklagepunkt [im Harich/ Janka/Just-Prozeß 1957, d.Red.] Aus gutem Grunde, weil die Staatssicherheit trotz wochenlanger Verhöre aus diesem Sachverhalt eine Anklage, die meine subjektive Schuld als Kriegsverbrecher nachweisen würde, nicht erheben konnte. Damit war eigentlich für mich der Fall erledigt. Ich sah keinen Grund, jemals wieder darüber zu sprechen. Wer tut denn das von sich aus? Wenn ich gewußt hätte, das wird nochmal hochgebracht, dann hätte ich die Fraktion natürlich informiert.

Sie legen also Ihr Mandat nicht aus der Überzeugung nieder, daß Sie das tun müßten, sondern mit Rücksicht auf Ihre Fraktion?

Ja, mit Rücksicht auf die Fraktion, aus Gründen der politischen Hygiene. Ein Mann, der mit solchen Vorwürfen überhäuft wird, kann doch nicht im Landtag sein. Aber das ist von mir überhaupt kein Eingeständnis einer Schuld, wie sie mir heute plötzlich angelastet wird, nachdem nicht einmal die damalige Staatssicherheit diese Schuld feststellen konnte.

Einmal abgesehen von der juristisch faßbaren Schuld: haben Sie sich einmal — vielleicht sogar vor Ihrem politischen Engagement nach der Wende — überlegt, daß Sie mit dem, was Sie getan haben, zumindest kein öffentliches Amt innehaben sollten?

Dann wären ja Hunderttausende Soldaten von jeder Funktion ausgeschlossen gewesen. Bloß — sie haben nicht alle ein Tagebuch geschrieben. Wenn ich nicht Tagebuch geschrieben hätte, wäre das meine persönliche Angelegenheit geblieben. — Solche Fragen stellt die Jugend. Ich kann nur sagen, wie gut es die Jugend hat, die unter demokratischen Verhältnissen aufwächst. Ich habe mich ja nicht nach diesem öffentlichen Amt gedrängt. Ich war einfach einer, der unter dem Stalinismus gesessen hat: an den trat man heran, willst du nicht dieses oder jenes machen?

Wie setzen Sie sich heute damit auseinander, daß Sie sich als Soldat an der Ausführung eines solchen verbrecherischen Befehls beteiligt haben?

Tja. Ich bin als Häftling in der Untersuchungshaft wochenlang mit dieser Sache konfrontiert worden. Das war ja eine Auseinandersetzung. Ich hab' mich in meiner Zelle zergrübelt: Was hätte ich tun können — und warum hab' ich's nicht gemacht?

Hätten sie etwas anderes tun können?

Ja.

Und was?

Ich konnte den Befehl verweigern. Aber dann würden wir uns heute hier nicht unterhalten. Man kann daraus nur lernen, gegen Gewalt zu sein. Das war ja dann auch das, was mich am SED-Regime, dem ich anfangs als absolute Alternative zum Faschismus sehr zugeneigt war, immer mehr abstieß: daß auch dort mit Gewalt und menschenverachtenden Methoden gearbeitet wurde. Man kann solche Aufarbeitung nur durch sein tägliches Handeln vollziehen.

Sie sind noch 1943 zur NS-Kriegsschule gegangen und gleich 1946 in die SED eingetreten. Wie hat sich dieser schnelle Wandel vollzogen?

Das was die demagogischen Seiten des Nationalsozialismus waren, an die glaubten ja viele. Was an schrecklichen Dingen passiert ist, da war ja automatisch das Bedürfnis: nun müssen wir genau das Gegenteil machen. Und das Gegenteil von den Nazis waren die Kommunisten. Interview: Bettina Markmeyer

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