INTERVIEW: „Die Sozialisten bringen nichts Neues mehr“
■ Andrée Buchmann, elsässische Politikerin der französischen Grünen und enge Mitarbeiterin von Parteichef Antoine Waechter, zum Wahlergebnis
taz: Alle traditionellen Parteien haben verloren, dagegen haben die Front National und die Öko-Parteien gewonnen. Wie erklären Sie das Wahlergebnis?
Andrée Buchmann: Die Sozialisten sind seit zehn Jahren an der Macht. Die bringen nichts Neues mehr. Viele Leute sind deprimiert. Sie erklären die Wirtschaftskrise damit, daß es zu viele Ausländer gibt, und wählten deswegen die Front National. Andererseits haben viele die Öko-Listen gewählt, weil es einfach an der Zeit ist, daß es in Frankreich wie in anderen europäischen Ländern Grüne im Parlament gibt.
Läßt sich die Entwicklung in Frankreich mit dem vergleichen, was Anfang der 80er Jahre in der Bundesrepublik passierte?
Die Kultur in Deutschland ist anders, die Institutionen auch. In Frankreich gibt es zum Beispiel kein Verhältniswahlrecht für das Parlament. Deswegen sind wir nie reingekommen.
Seit Sonntag abend sind die Grünen zur meistumworbenen politischen Kraft in Frankreich geworden. Mit wem wollen Sie zusammenarbeiten?
Mit allen außer der extremen Rechten. Aber die Frage ist, mit wem es am ehesten möglich ist, etwas zu ändern. Da ist noch alles offen.
Was sind Ihre Mindestforderungen für eine Zusammenarbeit?
Mehr Demokratie. Verhältniswahlrecht für die nationalen Wahlen im nächsten Jahr. Eine andere Verkehrspolitik — weniger Straßen und mehr Züge und eine andere Raumordnungspolitik — die Städte wachsen viel zu schnell.
Können sich dabei nicht auch Allianzen mit der Front National ergeben?
Nein, unmöglich. Das haben wir seit 1984 gesagt. Wir werden alles dafür tun, daß die Front National nicht in eine Regierung hineinkommt.
Wenn es die Zweiteilung der ökologischen Bewegung in „Les Verts“ und „Génération Ecologie“ nicht gäbe, dann hätten die Umweltschützer bei den Regionalwahlen etwa so viele Stimmen wie die „Front National“ bekommen. Ist die Trennung politisch sinnvoll?
Das ist keine Trennung. Mit der „Génération Ecologie“ ist eine Partei gegründet worden, die der Position Mitterrands zuzuordnen ist. Viele ihrer Mitglieder sind gar nicht grün, sondern gehören zu den Konservativen oder Sozialisten. Mit denen ist es sehr schwer, zusammenzuarbeiten. Aber mit den echten Ökologisten bei „Génération Ecologie“ können wir es versuchen. Das muß in jedem Departement entschieden werden.
Hat sich die politische Strategie Ihres Parteivorsitzenden Antoine Waechter: „Wir sind weder rechts noch links“ als richtig erwiesen?
Ich glaube, diese Strategie war sehr wichtig für die Vergrößerung der Partei. Vielleicht müssen wir jetzt aber umdenken. Wir müssen entscheiden, wohin wir gehen wollen, wie sich die Partei entwickeln soll. Diese Diskussion führen wir zur Zeit sehr stark.
Könnten „Les Verts“ eines Tages auch sagen: Wir sind links?
Dann müßte sich aber die Sozialistische Partei sehr ändern. Wir können nicht links sein, zusammen mit den Kommunisten oder den Sozialisten, so wie sie jetzt sind.
Was können die deutschen Grünen, die ja aus dem Bundestag verschwunden sind, von dem Erfolg der französischen Grünen lernen?
Ich finde, jede Partei ist anders, in einer anderen Umgebung. Und wir können nicht sagen, die anderen müssen machen, was wir tun. Das geht nicht. Interview: Dorothea Hahn
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