INTERVIEW: Ich wähle die Partei der Liebe — was sonst?
■ Interview mit Fatima D'Alberto über ihren Entschluß, eine vor allem von Porno-Darstellerinnen geführte Liste zu wählen
Fatima D'Alberto ist Algerierin, hat durch Heirat die italienische Staatsbürgerschaft erworben und darf nun zum ersten Mal wählen. Die gelernte Soziologin hat vor einigen Tagen mit einer zufällig in ein Mikrofon gesprochenen Erklärung, die von der schon im vorigen Parlament sitzenden Ilona Staller („Cicciolina“) und der landesweit bekannten Porno-Frau Moana Pozzi gegründete „Partei der Liebe“ zu wählen, eine starke Haßkampagne in ihrem eigenen Umfeld ausgelöst und mußte sich zu Freunden in den Süden Italiens zurückziehen.
taz: Fatima D'Angelo, wieso diese Wahl, und wieso die Entscheidung, sie publik zu machen?
Fatima d'Angelo: Die Wahl war bewußt; daß ich das öffentlich gesagt habe, eher spontan, ohne an die Folgen zu denken. Obwohl ich sie mir hätte denken können. Schließlich bin ich Araberin, trotz meiner neuen Nationalität. Im übrigen gilt meine Absicht, die „Partei der Liebe“ zu wählen, dem Programm, nicht dem Gewerbe der Frauen, die sich da präsentieren, und das ich aus religiösen wie aus Gründen weiblicher Selbstachtung ablehne.
Das Programm nimmt sich, gemessen an dem anderer Parteien, eher schmal aus: keine Strafverfolgung wegen sexueller Delikte außer bei Gewalt, Einrichtung kommunaler Knutschparks, Erlaubnis für Liebe auch im Knast, Wiedereröffnung der in den 50er Jahren geschlossenen Bordelle, allerdings nur von Frauen geleitet...
Es sind, wenn ich richtig gezählt habe, acht Punkte, einige zum Umweltschutz dabei, die meisten aber auf Verbesserung der Kommunikation und mündiger Beziehungen der Menschen untereinander bezogen. Genau diese Knappheit zieht mich an. Denn ich frage mich: Haben die anderen dreitausend Kandidaten wirklich mehr Punkte, die sie realisieren wollen oder können? Und: Sind sie wirklich honoriger als die Frauen der „Partei der Liebe“? Als Ilona Staller vor fünf Jahren gewählt wurde, haben sich die Medien auf sie gestürzt. Darunter auch euer deutscher 'Stern‘. Eine der Fragen war: „Haben Sie schon mal den Aids-Test gemacht?“ Nun hätte ich drauf gewartet, daß zum Beispiel mal jemand diese Frage auch unserem Außenminister De Michelis stellt, denn der ist ja bekannt für seine unendlich vielen Amouren, er baut einen Teil seines Images regelrecht darauf. Aber die Frage kommt bei ihm nicht. Schon darum möchte ich Moana Pozzi im Parlament haben.
Einer der Einwände gegen die Wahl von Gruppen wie der „Partei der Liebe“ ist aber, daß sie keine umfassende Vision künftiger Politik haben, sondern allenfalls Details aufgreifen.
Das tun andere doch auch. Und wenn sie schon, wie die großen traditionellen Parteien, umfassende Kataloge verteilen: mit welchen Leuten soll denn hier Neues passieren? Die Demokratische Partei der Linken hat ein hervorragendes Wahlplakat aufgehängt: Regierungschef Andreotti und sein Parteivorsitzender Forlano, nur aufgenommen vor dreißig Jahren, Unterschrift: „Immer noch dieselbe Musik“. Recht haben sie. Nur, die Leute der Linkspartei sind, auch wenn ihre Gesichter jünger wirken, innen auch nicht anders als Andreotti und Co. Verfallen, alt, ausgemergelt, ohne Zukunftsprojektionen. Und dasselbe sehe ich auch bei allen anderen Gruppen. Die Grünen etwa meinen heute auch, reine Schlagworte wie „Ambiente“ oder „Grün“ seien der Beweis für eine tolle Politik. Ich aber suche eine Partei, die mir wenigstens ein paar Punkte vorgibt, die ich verstehe — ohne mir dazu noch einen Haufen anderer Absichten zu verkünden, die ich überhaupt nicht kapiere. Die „Partei der Liebe“ tut das. Das Gespräch führte Werner Raith
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