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INTERVIEW»Das Verwaltungsgericht wird sehr streng prüfen«

■ Der Staatsrechtler Ulrich Preuß hält ein Verbot der Kundgebung der »Nationalen« verfassungsrechtlich für sehr bedenklich

taz: Was halten Sie von der Forderung, die Kundgebung der »Nationalen« zu verbieten?

Ulrich Preuß: Aus politischer Sicht ist diese Forderung verständlich. Verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch halte ich ein solches Verbot jedoch für sehr bedenklich.

Wann wäre ein Verbot vertretbar?

Wenn eine Organisation lediglich mit geistigen Mitteln auf die Öffentlichkeit einwirkt, und seien die Ideen auch noch so schändlich, so lange darf man sie nach geltendem Recht nicht verbieten. Wenn sie aber massiv einschüchternd auftritt, etwa in uniformierter Form oder im militärischen Verband, und eine geistige Auseinandersetzung nicht mehr möglich macht, sollte ein Verbot stattfinden.

Daß sich am 9. Mai Angehörige der NPD, DSU und der »Deutschen Liga« versammeln wollen, genügt für ein Verbot also nicht?

Ich denke nicht. Jeder hat nach der Verfassung das Recht, seine Meinung zu verwirklichen. Die Verfassung kennt nur die Unterscheidung, ob jemand mit geistigen Mitteln auf die Öffentlichkeit einwirkt oder terrorisiert und einschüchtert.

Wäre ein Verbot begründet, wenn martialisch Gekleidete bei der Kundgebung erwartet würden?

Nein. Das würde bei keinem Verwaltungsgericht durchgehen, weil es sich um einen bloßen Verdacht handelt. Man muß schon warten, auch bis etwas passiert, um tätig werden zu können.

Was halten Sie von der geplanten Gegendemonstration?

Das finde ich sehr wichtig. Es sollten möglichst viele Leute daran teilnehmen, um deutlich zu machen, daß diese rechtsextremen Gruppen isoliert sind und mit ihrem schändlichen Gedankengut keine Anhängerschaft in der Öffentlichkeit finden.

Und wenn es zu Konfrontationen zwischen beiden Demonstrationsgruppen kommt?

Die Tatsache, daß es vielleicht zu handfesten Auseinandersetzungen kommt, ist an sich noch kein Grund, weder die eine noch die andere Demonstration zu verbieten. In den 70er Jahren ist es häufig vorgekommen, daß Gegendemonstrationen verboten wurden. Das läuft darauf hinaus, »die Polizei schützt die Faschisten«, wie immer wieder gesagt wird. Das kann nicht das Ergebnis sein.

Was müßte Innensenator Heckelmann als Begründung für ein Verbot vorbringen?

Eine solche Verfügung müßte damit begründet werden, daß durch die Versammlung die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Heckelmann müßte also dartun, daß von der rechten Gruppe Gewalttätigkeiten oder terrorisierende, einschüchternde Aktionen zu befürchten sind. Eine andere Möglichkeit wäre der sogenannte polizeiliche Notstand. Dazu müßte jedoch befürchtet werden, daß es durch die Gegendemonstration zu heftigen Auseinandersetzungen kommt und ein polizeilicher Notstand entsteht, weil die Beamten die Versammlungen nicht mehr auseinanderhalten können. Das wäre aber ein Armutszeugnis für die Polizei.

Dagegen könnten »Die Nationalen« aber beim Verwaltungsgericht Widerspruch einlegen.

Ja. Ich nehme an, daß das Verwaltungsgericht sehr streng prüfen würde, ob Herr Heckelmann wirklich alle Voraussetzungen erfüllt hat. Ich kann mir schwer vorstellen, daß das der Fall sein wird. Interview: Plutonia Plarre

Ulrich K. Preuß ist Staatsrechtler an der Uni Bremen und Mitautor eines Alternativ-Kommentars zum Grundgesetz. Siehe auch Seite 21

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