INTERVIEW: „Der Islam behandelt Atombomben so verantwortlich wie ihr...“
■ Gespräch mit dem libanesischen Waffenkäufer Ifraim Marouk
Marouk, 56, kauft im Auftrag verschiedener islamischer Staaten (und ausdrücklich nur für sie) Waffen aller Art und wirbt Technologie- und Produktionsspezialisten an.
taz: Wieviel Geld haben Sie seit Beginn dieses Jahres für Waffenkäufe ausgegeben?
Ifraim Marouk: So an die zwei Milliarden Francs werden es wohl sein (umgerechnet etwa 700 Millionen DM). Ich habe leider nicht sehr viel Geld zur Verfügung.
Macht es Ihnen keine Probleme, immer mehr Mordwerkzeug heranzuschaffen, unter dem ja auch zunehmend die Zivilbevölkerung leidet?
Rüffelt ihr eure großen Autofirmen, Fiat, VW oder General Motors, weil sie jedes Jahr Millionen Fahrgerät verkaufen, von denen man weiß, daß damit Hunderttausende auf den Straßen zu Schaden oder gar zu Tode kommen, durch Unfälle oder auch Umweltverschmutzung?
Der Vergleich hinkt: Autos haben überwiegend friedliche, auch nützliche Funktion, außerdem ist der Westen diesem Produkt gegenüber in letzter Zeit tatsächlich skeptischer geworden.
Auch Waffen können friedensstiftende, nützliche Funktion haben. West und Ost haben jahrelang ein ganz bequemes „Gleichgewicht des Schreckens“ gepflegt.
Das war insofern übersichtlich, als es nur zwei, später fünf atomwaffenfähige Mächte gegeben hat. Wenn nun alle möglichen kleinen Staaten Massenvernichtungsmittel bekommen...
... geht ihr natürlich automatisch davon aus, daß diese im Unterschied zu den Großmächten sofort mit solchen Bomben herumwerfen würden. Reiner Unsinn. Die islamischen Regierungen werden mit einer Atombombe genauso verantwortlich umgehen wie die Großmächte; sie sind doch nicht dumm und wissen, daß dieser Einsatz Selbstmord wäre. Gefahr besteht nur, solange Mächte nicht mit ihrer eigenen Gefährdung rechnen müssen.
Die Gefahr eines Einsatzes wächst doch prinzipiell, je mehr Länder über solche Massenvernichtungsmittel verfügen.
Sie ist auch gegeben, wenn nur drei oder vier sie haben. Die können dann jeden erpressen oder Massenvernichtungsmittel fern der Heimat einsetzen. Wie die USA und die UdSSR lange Zeit.
Sie würden jedenfalls auch Atom- oder chemische Waffen besorgen, gleich für wen und von wem?
Von jedem, ja, für jeden nicht. Ich würde sie nur für solche Staaten besorgen, die ich ernsthaft durch Nachbarn oder ausrottungswillige Regierungen gefährdet sehe. Im islamischen Asien und in Teilen Afrikas ist diese Gefahr gegeben. Für Kroaten oder Serben z. B. würde ich nichts kaufen, obwohl die derzeit sehr gut zahlen: die haben schon mehr als genug und werden im Zweifelsfall auch von den europäischen Staaten geschützt, bevor sie vernichtet werden.
Aber Sie haben keine Ängste, Ihre Waffenbeschaffung könnte Kriege überhaupt erst ermöglichen?
Ängste schon, aber weniger wegen mutwilliger Kriege mit solchen Waffen. Eher schon, daß die dortigen Machthaber und auch die Ingenieure glauben, derartig bösartige Dinge selbst basteln zu können, oder sich von unseriösen Kaufleuten fehlerhaftes Zeug und mangelhafte Informationen andrehen lassen — und dann geht so ein Ding aus Versehen los. Daher mein Bestreben, nur Erstklassiges zu liefern und die nötigen Fachleute mitzuvermitteln. Das Gespräch führte der französische Rundfunkkorrespondent Jean Aumère im Auftrag der taz in Beirut.
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