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INTERVIEW25 Prozent dünnere Ozonschicht im Jahr 2000

■ Reinhard Zellner, Professor für Atmosphären-Chemie, zum Ozonabbau über dem Äquator und Europa

taz: Im vergangenen Oktober war die Ozonschicht über dem Südpol so dünn wie nie zuvor. Im Januar erreichte die Europäer die Horrormeldung, daß eine ungewöhnlich hohe Chlormonoxid-Konzentration den Ozonabbau in der nördlichen Atmosphäre vorantreibt. Und nun die Nachricht, daß die Ozonschicht auch über dem Äquator beziehungsweise zwischen dem 30. Breitengrad Nord und Süd dünner wird. Hat Sie diese Entwicklung überrascht?

Reinhard Zellner: Die Entwicklung über dem Südpol hat uns nicht überrascht. Die Veränderungen der Ozonschicht im Nordpolarbereich und auch über dem Äquator sind allerdings unerwartet gekommen. Dazu muß aber gesagt werden, daß es hier spezielle Voraussetzungen gab, die nicht per se vorausgesagt werden konnten, weil sie in der Dynamik lagen.

In der Stratosphäre über dem Äquator herrschen aber ganz andere Bedingungen als über Nordeuropa.

Richtig. Wir vermuten, daß die Veränderungen über dem Äquator mit dynamischen Änderungen, mit der Beladung der Atmosphäre durch die Vulkanwolke des Pinatubo, zusammenhängt, die im Juni 1991 in die Atmosphäre gelangt ist. Über Europa herrscht eine ähnliche Situation. Auch hier haben wir das Aerosol in der Atmosphäre gehabt. Aber der vielleicht wichtigere Faktor im Nordpolarbereich war, daß es in diesem Winter sehr ausgeprägte Hochdruckgebiete gab, die zu einer Verdünnung des Ozons geführt haben.

So etwas kann sich doch jederzeit wiederholen.

In anderer Form kann sich das in den kommenden Wintern natürlich wiederholen. Dabei ist insbesondere zu bedenken, daß der Chlorgehalt der Atmosphäre noch weiter ansteigt, und wir auch das Aerosol des Pinatubo noch mehrere Jahre in der Luft haben werden, so daß es bei einer ungünstigen metereologischen Konstellation durchaus zu größeren Ozonverlusten kommen kann.

Hinzu kommt, daß die Ozonschicht ohnehin schon viel dünner geworden ist, auch über Europa.

Das ist ein ganz entscheidender Effekt, auf den ich ganz deutlich hinweisen möchte. Wir haben innerhalb des letzten Jahrzehnts relativ hohe Ozonverluste gehabt. Sie bewegten sich innerhalb dieses Zeitraums in einer Größenordnung von acht bis zehn Prozent in den Wintermonaten. In den Sommermonaten war der Trend etwas schwächer.

Hat die UV-Strahlung dadurch in unseren Breitengraden schon deutlich spürbar zugenommen?

Im Grunde genommen hätte die UV-B Intensität durch den Ozonverlust ansteigen müssen. Aber alle Messungen zeigen, daß dies noch nicht der Fall gewesen ist. Der Grund ist, daß wir die Troposphäre — die unteren Luftschichten — zunehmend stärker verschmutzen und das bodennahe, troposphärische Ozon dadurch stark zugenommen hat. Dieses Ozon wirkt genauso wie das Ozon weiter oben als Filter für die UV-Strahlen. Um es einmal bewußt ganz provokativ zu sagen: Das beste Mittel gegen die UV-B Strahlung ist, die Luftverschmutzung unbegrenzt weiter fortzuführen.

In was für einem Zustand wird die Ozonschicht im Jahr 2000 sein, wenn die FCKW Produktion laut Montrealer Protokoll international auf fünf Prozent heruntergeschraubt sein soll?

Der Trend des Ozonabbaus wird sich in der kommenden Dekade naturgemäß fortsetzen, so daß ich mit einem Ozonverlust in der Größenordnung von 20 bis 25 Prozent am Ende des Jahrhunderts rechne — im Vergleich zu der Zeit bevor die FCKW in der Atmosphäre waren. In den Sommermonaten wird es etwas weniger sein. Erst wenn die FCKW, genauer gesagt die Chlorverbindungen, aus der Stratosphäre entfernt sind, wird sie sich wieder erholen. Doch das wird mehrere Jahrzehnte dauern. Das Montrealer Protokoll in der Londoner Fassung von 1990 soll aber im kommenden Herbst in Kopenhagen neu verhandelt werden. Ich gehe davon aus, das die Frist noch einmal um drei Jahre nach vorn verschoben wird, so daß wir bis zum Ende des Jahrzents keine FCKWs mehr produzieren oder emittieren.

Legen Sie sich selbst noch in die Sonne?

Ich habe zur Zeit keine Bedenken, ein Sonnenbad zu nehmen. Große Vorsicht ist aber im Bereich des Mittelmeers geboten, wo die UV-B Strahlung ohnehin deutlich höher ist, als bei uns. Interview: Plutonia Plarre

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