INTERVIEW: „Sexualpessimismus schädigt die Gläubigen“
■ Wolfgang Eifler, 34, will auch als amtsenthobener Priester die Kirche der Katholiken demokratisieren
taz: Herr Eifler, was würde sich verändern, wenn der Zölibat abgeschafft wird?
Wolfgang Eifler: Ich sehe im Zölibat nur ein Symptom für eine ganze Reihe von Mißständen in dieser Kirche. Wenn der Zwangszölibat abgeschafft wird, werden notwendigerweise weitreichende Veränderungen folgen — hin zum Positiven.
Warum hält die Kirche am Zölibat fest?
Weil der Zölibat ein Machtfaktor ist. Wer über einen Menschen bis in seinen intimsten Bereich hinein bestimmt, ihm sein Sexualleben vorschreibt, der besitzt ihn ganz und gar. Ich bin entsetzt darüber, was mit den Menschen gemacht wird. Viele Priester, aber auch viele Frauen sind durch die sexualpessimistische Sicht der Kirche schwer lebensgeschädigt.
Warum protestieren Sie gegen den Zölibat?
Ich möchte mit meiner Lebensgefährtin und den Kindern ein ganz normales Familienleben führen. Ich habe mich aber auch schon früher einmal gegen den Zölibat ausgesprochen. Als Mitglied der „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen“ habe ich 1987 einen Brief mit unterzeichnet, der gegen den Zölibat protestierte, und von dem insgesamt 20.000 Exemplare an die katholischen Geistlichen verschickt wurden.
Wie hat die Kirche darauf reagiert?
Ich sollte die „Agitation“ beenden. Der Personalchef brach dann das Gespräch ab, als ich den Begriff „Zwangszölibat“ gebrauchte. Es gab auch Gespräche mit Bischof Lehmann, die ich als recht verständnisvoll empfand. Man überlegte, wie mein weiterer beruflicher Werdegang aussehen sollte, und ich stimmte einer Intensivausbildung zum Krankenhausseelsorger in Heidelberg zu.
Diese bedingungslose Akzeptanz ist bei den Kirchenoberen nicht unbedingt zu spüren.
Ich denke, man sollte den Leuten endlich erlauben, sich ein eigenes Bild von den kirchlichen Repräsentanten zu machen. Sie sollten darauf achten, wieviel Verständnis etwa ein Bischof Dyba den menschlichen Problemen entgegenbringt.
Was werden Sie tun, wenn man Sie längerfristig suspendiert?
Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Ich könnte mir jedoch vorstellen, mich auch weiterhin für eine Demokratisierung der katholischen Kirche einzusetzen. Denkbar wäre der Versuch, alle Reformkräfte der verschiedenen kirchlichen Vereinigungen zu sammeln. Interview: Heide Tittel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen