INTERVIEW: Müllexport nach Frankreich ist illegal
■ Andreas Bernstorff, Müllexperte bei Greenpeace, zu dem Export von Krankenhausmüll nach Frankreich/ Basler Konvention verbietet Müllhandel ohne Staatsvertrag
taz: In den vergangenen Tagen sind mehrfach Laster mit Krankenhausmüll in Frankreich gestoppt worden. Ist dieser Müllexport nach Frankreich gängige Praxis?
Andreas Bernstorff: Ja. Das ist absolut gängige Praxis. 630.000 Tonnen Hausmüll oder hausmüllähnlicher Gewerbemüll gehen jährlich von Deutschland nach Frankreich.
Ist dieser Müllexport legal?
Nicht mehr. Nach der Basler Konvention für Abfälle darf die französische Regierung deutschen Müll eigentlich gar nicht mehr ins Land lassen. Die Konvention sagt, will ein Basel-Vertragspartner mit einem Nicht-Vertragspartner Müll handeln, müssen beide einen Staatsvertrag machen, in dem festgeschrieben ist, daß die ökologischen Standards für die Behandlung des Mülls nicht unter die in der Konvention festgelegten Mindestanforderungen fallen. Ein solcher Staatsvertrag existiert nicht, und die Bundesrepublik ist nicht Vertragspartner der Basler Konvention, weil sie sie noch nicht ratifiziert hat. Der ganze Handel zwischen Deutschland und Frankreich ist illegal.
Wenn der Handel illegal ist, ist das nur noch nicht aufgefallen?
Ja. Die Basler Konvention ist erst in Kraft getreten, nachdem 21 Staaten sie ratifiziert hatten. Das war am 5. Mai dieses Jahres. Die französische Regierung hat sich dieses Instruments bisher noch nicht entsonnen.
Wenn die Lieferungen tatsächlich Verpackungsmaterial enthalten hätten, wären sie dann unter die Basler Konvention gefallen?
Der Witz ist folgender: Nach deutschem Recht ist Plastik-Abfall kein Müll mehr, wenn er über das Duale System läuft. Das Plastik wird dann zu Rohstoff umdefiniert. Weil es jetzt aber in Steinbrüchen und auf illegalen Deponien gelandet ist, ist es natürlich doch Abfall.
Ist das der erste Fall, in dem unter dem Mantel des Dualen Systems Müllschiebereien stattfinden?
Nein, aber wir konnten bisher nichts beweisen. In Indonesien und Rumänien sind allerdings große Mengen Plastik aus Deutschland gefunden worden.
Kann man solche gefährlichen Müllexporte unterbinden?
Natürlich, über ein generelles Müllexportverbot. Das muß etabliert werden, vorher gibt es keine richtige Strafverfolgung. Bisher laufen die Festnahmen der Justiz immer über Hilfskonstruktionen. Es wird dann wegen Betruges oder Falschdeklaration, also Urkundenfälschung ermittelt, aber nicht wegen des Müllexports an sich. Jeder weiß, daß die giftigen Dioxinfässer auf dem Acker in Rumänien das Hauptverbrechen sind, aber man muß die Leute wegen Urkundenfälschung festnehmen und beim Haftprüfungstermin gleich wieder laufen lassen.
Zurück zu den 630.000 Tonnen Müll. Die Anwendung der Basler Konvention würde heißen, der größte Exportmarkt für deutschen Müll ist von heute auf morgen weggefallen?
Ja. Und das ist wichtig, weil die Franzosen nach innerstaatlichem Recht bisher keine Möglichkeiten haben, gegen Hausmüllimporte vorzugehen. Darum stürzen sie sich jetzt auf die kleinen Anteile an Klinikmüll. Das Zeug ist so ekelhaft und abschreckend, daß die Regierung die ganze Öffentlichkeit auf ihrer Seite hat.
Weshalb ist die Konvention von der Regierung noch nicht ins Spiel gebracht worden?
Die französischen Abfallfirmen sind sehr stark und beherrschen ganze Regionen, in Lothringen zum Beispiel. Vielleicht weiß das Ministerium es aber auch nicht. Die Ministerin ist relativ neu im Amt. Und Frankreich hat damals ohne großes Aufheben die Konvention ratifiziert — als Geste gegenüber den von Müllexporten geplagten schwarzafrikanischen Ländern. Interview: Hermann-Josef Tenhagen
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