INTERVIEW: Wir verweigern nicht die Unterstützung
■ Schulsenator Klemann (CDU): Entwicklungspolitische Bildung wird ernst genommen
taz: Wir erleben eine Welle von rassistischen Überfällen. Was kann die Schule tun, um Jugendliche vorzubereiten auf ein friedliches Zusammenleben mit ausländischen Menschen.
Jürgen Klemann: Wenn es Vorgänge wie in Rostock gibt, dann hat Schule ihren Auftrag, aber kann so etwas nicht alleine lösen. Schule wird ja zusehends von der Gesellschaft zum Reparaturbetrieb erklärt. Sie soll all das in Ordnung bringen, was sonst in der Gesellschaft kaputtgeht. Wenn es da aber nicht ein Zusammenwirken mit dem Elternhaus und einen gesamtgesellschaftlichen Konsens gibt, dann steht Schule auf einem verlorenen Posten. Wenn die Bemühungen der Schule tagtäglich zu Hause, in der Gesellschaft oder im Fernsehen konterkariert würden, dann ist das aber alles umsonst.
Das heißt natürlich nicht, daß Pädagogen sich nun verzweifelt zurücklehnen und sagen, das bringt sowieso nichts. Vielmehr gibt es in der Schule eine hohe Sensibilität gegenüber derartigen Vorgängen. Das friedliche und tolerante Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen entspricht ja dem Erziehungsauftrag der Schule. Wir lassen die Lehrer dabei nicht alleine. So haben wir auch bei der Gewaltdiskussion Anregungen gegeben und den Lehrern Fortbildungsbausteine und Beratungen angeboten.
Wäre nicht gerade die Entwicklungspolitik im Unterricht ein Mittel, Verständnis zu wecken für Flüchtlinge?
Entwicklungsbezogene Bildungsarbeit ist in den Schulen sicher von wachsender Bedeutung. Das gilt nicht nur für die Dritte Welt, sondern wir müssen unsere Augen auch auf die Probleme in Mittel- und Osteuropa richten. Überall dort wird der Konflikt zwischen armen und reichen Ländern sehr deutlich.
... was ein Grund für den sogenannten Flüchtlingsstrom ist ...
Genau. Wir müssen den Bezug zu den alltäglichen Vorgängen, den Wanderungsbewegungen herstellen. Menschen kommen nach Berlin, bei denen die Ursachen ganz einfach Hunger, Armut und soziale Ungerechtigkeiten sind. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Dieser globale Ansatz ist in den Schulen bereits vorhanden. Die Schule versucht den Lehrern unter die Arme zu greifen, durch Angebote für kulturübergreifendes Lernen.
Wie paßt das zusammen mit der Reduzierung der Wochenstundenzahl in Erdkunde oder der landeskundlichen Teile bei Fremdsprachen-Leistungskursen?
Es ist ja nicht eine ganze Stunde Erdkunde pro Woche weggefallen, sondern nur eine Stunde weniger für Chemie und Erdkunde zusammen. Außerdem ist die Vermittlung dieser Inhalte unabhängig von der halben Stunde. Lehrer sind frei, auszuwählen aus dem Rahmenplan und Schwerpunkte zu setzen. Wer sich wegen dieser Kürzung beklagt, wird deshalb seiner gegebenen Lehrfreiheit nicht gerecht. In den Fächern Geschichte und politische Weltkunde gehören die Fragen der Entwicklungszusammenarbeit schließlich auch dazu.
Warum aber hat sich die Schulverwaltung dann mit dem Bildungskongreß »Leben und Lernen in der Einen Welt« schwergetan?
Davon weiß ich nichts, daß wir uns da schwergetan haben. Wir sind eigentlich in derartigen Fragen nicht kleinlich, besonders wenn es sich um Anliegen handelt, denen wir prinzipiell jegliche Unterstützung zukommen lassen. Es gab jedenfalls keinen Ukas von der politischen Leitung, die Unterstützung zu verweigern. Im Fortbildungsverzeichnis wird auch auf den Kongreß aufmerksam gemacht. Wenn sie den Eindruck haben, wir haben da lange Zähne, so ist das nicht richtig. Diese Veranstaltung hat unsere Unterstützung ohne Wenn und Aber. Interview: Gerd Nowakowski
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