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INTERVIEVMilans moderner Fußball

■ Arrigo Sacchi, Trainer des EC-Siegers AC Mailand

In der Welt des Fußballs werden Sie als Ideologe der Moderne betrachtet. Es folgen aber nur wenige Trainer dem Beispiel des AC Mailand. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

Ich weiß es nicht und es kümmert mich auch nicht. Ich tue meine Arbeit, weil ich an meine Ideen glaube, nicht weil ich eine Vorreiterrolle im Fußball spielen will.

Die Raumdeckung ist einer der Grundpfeiler Ihrer Strategie. Worin ist die Raum- der Manndeckung überlegen?

Die Manndeckung ist sehr begrenzt. Es ist notwendig, alle Facetten der Defensive zu kennen. Bei der Raumdeckung lernt man, den Mann zu decken. Bei der Manndeckung lernt man ausschließlich, den Mann zu decken.

Die Weltmeisterschaft in Italien war ein enttäuschendes Erlebnis. Meinen Sie nicht, daß sie ein Rückschritt für den Fußball war?

Die Weltmeisterschaft war in vieler Hinsicht spektakulär: die Organisation, die Stadien, die Zahl der Menschen, die daran Anteil genommen haben. Technisch war sie ohne Zweifel ein armseliges Schauspiel. Diese Weltmeisterschaft hat keine gute Publicity für den Fußball gebracht. Über allen Dingen standen die Angst zu verlieren und ein taktischer Negativismus, der dem Spiel in keiner Weise gutgetan hat.

Die FIFA ist bestrebt, einige Regeln des Spiels zu ändern. Wie denken Sie darüber?

Der Antifußball hört nicht auf, wenn die Regeln geändert werden. Die Philosophie muß sich ändern. Wenn wir das Spektakel wollen, müssen wir bereit sein, offensiver zu spielen, und um dies zu erreichen, müssen wir während der Woche die Trägheit verlieren. Wir müssen im Training aufbauen anstatt zu zerstören. Dies ist der einzige Weg zur Unterhaltung.

Es überrascht die ständige Verteidigung der Unterhaltung, während andere Trainer nur an die Effizienz der Resultate denken.

Ich arbeite, um zu unterhalten. Damit das gelingt, muß während der Woche sehr hart gearbeitet werden. Ein Schauspieler oder ein großer Sänger betritt die Bühne, um das Publikum zu unterhalten. Die einzige Art, dies zu gewährleisten, ist große tägliche Disziplin, auch wenn kein Publikum da ist, das einem zujubelt. Es gibt Trainer, die in der Woche sehr wenig arbeiten; sie werden an den Sonntagen nie unterhalten.

Es scheint, als ob die Welt des Fußballs zu konservativ ist.

Es gibt immer noch alte Ideen. Es gibt Leute, die glauben, technische Fähigkeiten der Spieler garantierten den Sieg. Der Fußball ist viel komplexer. Man braucht Intelligenz, Opferbereitschaft und das Streben nach Fortschritt.

Wie sieht es mit dem Fußball bei Milan aus ?

Ich habe das Glück, einer privilegierten Gesellschaft anzugehören, einem Club mit einer großzügigen Sichtweise des Sports. Mein Verein glaubt an die Bedeutung des Lernens, der Arbeit, der Kooperation aller Beteiligten. Die Spieler haben gelernt, daß bei Milan der Mensch vor dem Athleten rangiert.

Welche Elemente, die nicht direkt zum Spiel gehören, benutzen Sie?

Es ist eine Regel, daß man sich alle Berufe anschauen muß. Man kann von anderen Sportarten lernen, vom Schauspiel, von der Kultur. Im Fußball wie im Theater muß man lernen, sich im richtigen Moment in Szene zu setzen. Das kann man nur durch ständige Übung erreichen.

Welche Zugeständnisse werden im System der Mannschaft an das individuelle Talent gemacht.

Ein großer Film braucht große Interpreten. Sonst wäre er verstümmelt. Meine Arbeit besteht darin, den Interpreten die Möglichkeit zu geben, ihr Bestes zu tun. Fußballspieler, die desorganisiert sind, kommen schlecht zur Geltung.

Hat sich in den letzten Jahren etwas an Ihren Kriterien geändert?

Ich lebe mit den Zweifeln, nicht mit der Gewißheit. Zum Glück haben wir bei Milan intelligente Spieler, intelligenter als der Durchschnitt der Spieler. Wir wissen, daß wir die Pflicht haben, progressiv zu sein, zu unterhalten und die Menschen in die Stadien zu ziehen.

Interview: Santiago Segurola, aus El Paìs, Übersetzung: Matti

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