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Archiv-Artikel

IN LIBERIA WIRD DIE UNO MIT AFRIKA ALLEIN GELASSEN Blauhelme mit Billigflagge

Im August schickte die UNO einige tausend nigerianische Blauhelme aus Sierra Leone über die Grenze nach Liberia, um dort den Kern einer westafrikanischen Eingreiftruppe „Ecomil“ zu bilden. Dazu legten sie die Blauhelme ab und die tarnfarbenen wieder an. Heute, am 1. Oktober, setzen diese Nigerianer ihre blauen Helme wieder auf und verwandeln sich in UN-Soldaten zurück, um den Kern der neuen UN-Blauhelmmission „Unmil“ zu stellen.

Der Farb- und Namenswechsel verdeutlicht, wie groß die Probleme der Vereinten Nationen sind. Unter ihrem westafrikanischen Generalsekretär Kofi Annan hat die UNO Westafrika zu ihrer wichtigsten militärischen Einsatzregion gemacht, aber den Rest der Welt lässt das kalt. In Sierra Leone – ein UN-Aushängeschild mit der größten Blauhelmtruppe der Welt – griff Großbritannien vor drei Jahren lieber auf eigene Faust ein, um die bedrängte UN-Mission zu retten, als sich ihr anzuschließen. In Liberia will bislang kein außerafrikanisches Land außer Bangladesch Soldaten einsetzen, auch nicht die USA, die immerhin zwei Monate lang Kriegsschiffe mit tausenden Marines in Sichtweite des belagerten Monrovia dümpeln ließ. Die UNO bleibt zweite Wahl. Liberia, Weltmeister der Billigflagge im Seeverkehr, wird Weltmeister der Billigtruppe im Peacekeeping.

Vor einer Woche erst rief UN-Generalsekretär Kofi Annan vor der UN-Vollversammlung zu präventivem Handeln gegen drohenden Völkermord auf und zitierte neben dem Kongo Liberia als neuestes Beispiel dafür, dass die Bemühungen der UNO in diesem Feld „zögerlich und verspätet“ seien. Heute beginnt in Liberia eine Blauhelmmission, in der kein einziger neuer UN-Soldat steht, um einen Frieden zu überwachen, der nicht existiert. Jahrelang forderten Regierungen beispielsweise in London und Washington die Entfernung von Liberias Präsident Charles Taylor als Grundbedingung für eine Befriedung Westafrikas. Seit dem 11. August ist Taylor weg, aber Frieden herrscht in Liberia nicht. Und falls die Blauhelme in Bedrängnis geraten, werden nicht einmal mehr US-Marines zur Stelle sein. DOMINIC JOHNSON