: ILO warnt vor Gefahren der Teilzeitarbeit
■ Weltarbeitsbericht: Einkommen in Lateinamerika und Sahel um 40 Prozent gesunken
Genf (dpa) - Teilzeitarbeit hat viele Vorteile, birgt aber auch eine Reihe von Gefahren. Darauf weist die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in ihrem am Donnerstag in Genf veröffentlichten „Welt–Arbeitsbericht“ (World Labour Report) hin. Laut ILO kann von einer zunehmenden „Aufspaltung unter den Arbeitskräften“ gesprochen werden. „Eine Kerngruppe von Arbeitnehmern hat sichere, gutbezahlte Arbeitsplätze mit guten Aussichten für einen beruflichen Aufstieg, während eine wachsende Randgruppe auf schlechtbezahlten, gefährdeten Arbeitsplätzen tätig ist, zu denen Teilzeitarbeit, Zeitarbeit und Gelegenheitsarbeit gehören.“ Die Zahl der Teilzeitarbeiter betrug dem Bericht zufolge in den marktwirtschaftlich organisierten Industrieländern 1985 rund 45 Millionen. Dabei handelte es sich vor allem um Frauen, Jugendliche (einschließlich Studenten) und ältere Arbeitnehmer. Die Beschäftigungsbedingungen in dieser Sparte seien oft schlechter als diejenigen der ganztägig Beschäftigten. Der Grund dafür liege darin, daß sich die Arbeitsplätze für Teilzeitarbeit auf den Dienstleistungssektor, auf wenig qualifizierte Arbeit und auf traditionell von Frauen ausgeübte Tätigkeiten konzentrierten. Der ILO–Bericht weist auch auf „gewisse besorgniserregende Tendenzen“ bei den Sozialversicherungsprogrammen hin. Einschränkungen der Leistungen und des Geltungsbereiches der Programme hätten immer mehr Menschen in die Armut und in die Abhängigkeit von der Sozialfürsorge oder der Wohlfahrt abgedrängt. In den westlichen Industriestaaten sind nach Angaben des Berichts über 31 Millionen Menschen arbeitslos. Dafür könnten nicht nur die rasch steigenden Arbeitskosten und die starren Arbeitsmärkte verantwortlich gemacht werden. Schleppende Nachfrage und eine restriktive Wirtschaftspolitik zur Bekämpfung der Inflation hätten ebenso zur Arbeitslosigkeit beigetragen, betont die ILO. In dem Bericht wird das Fazit gezogen, daß nur wenige Lichtblicke ein ansonsten düsteres Bild der weltweiten Lage im Bereich der Arbeit erhellen. In den Entwicklungsländern seien viele Arbeitsplätze eine Art Endstation, weil sie wenig oder gar keine Möglichkeit offenließen, eine bessere Stellung zu bekommen. Für die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Gebiet südlich der Sahara und auch in Lateinamerika seien die Realeinkommen um volle 40 Prozent gesunken. Selbst in westlichen Industrienationen hätten sich die Realeinkommen vermindert, so in Schweden zwischen 1979 und 1983 um über zehn Prozent. Eine Ausnahme bilde lediglich Asien, wo die Gesamtsituation „weniger hoffnungslos“ sei. Das auffälligste Beispiel liefere China, wo Land– und Industriereformen die Einkommen und Beschäftigungsmöglichkeiten bedeutend verbessert hätten.
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