: IG-Metaller „jaulen“: 200 Mark weniger Lohn
■ 2.000 TeilnehmerInnen beim ersten Warnstreik der IG Metall in Reinickendorf
„Die Kollegen jaulen auf. Manche hatten im Januar 200 Mark weniger auf dem Konto als im Dezember“, sagt Rüdiger Schmidt, IG-Metall-Gewerkschafter beim Borsig-Turbinenwerk in Berlin- Reinickendorf. Zusätzlich zur Kürzung der Berlin-Zulage beim Lohn habe der Betrieb übertarifliche Zahlungen gestrichen. „Da können wir nicht noch einmal auf sechs Prozent verzichten, wie die Arbeitgeber verlangen“, assistiert ein Arbeiter. Vor allem die Forderung nach einer Anhebung der Einkommen trieb gestern etwa 2.000 Beschäftigte der Berliner Metall- und Elektroindustrie zum ersten Warnstreik der IG Metall in der Tarifrunde 1994 auf die Straße.
Bundesweit testete die Gewerkschaft die Streikbereitschaft ihrer Mitglieder. In Berlin hatte sie Erfolg. „Mit 400 Leuten waren 50 Prozent unserer Belegschaft auf den Beinen“, meinte Borsig-Betriebsratsvorsitzender Detlef Lück. Außerdem demonstrierten Beschäftigte weiterer fünf Unternehmen zur zentralen Kundgebung nach Tegel – darunter der ABB Henschel Waggon-Union und des Aufzug-Herstellers Otis. Drei Stunden standen die Maschinen in den Betrieben still.
In seiner Kundgebungs-Rede lehnte der Berliner IG-Metall-Bevollmächtigte Manfred Foede die Forderung der Arbeitgeber nach Streichung des Urlaubsgeldes und Verringerung der Zahl der Urlaubstage ab. Die Metallunternehmer hatten den Tarifvertrag gekündigt, um in der laufenden Lohnrunde eine deutliche Senkung ihrer Lohnkosten zu erreichen. Die Gewerkschaft fordert demgegenüber sechs Prozent mehr Lohn. Auch in Berlin stehen sich die Forderungen bislang unversöhnlich gegenüber – nach dem Scheitern der zweiten Gesprächsrunde am 18. Januar verweigern die Berliner Metallarbeitgeber einen neuen Termin.
Uneinigkeit herrscht innerhalb der IG Metall offensichtlich in der Frage, welcher Stellenwert der Arbeitszeitverkürzung in der gegenwärtigen Tarifauseinandersetzung zukommt. Der für Tarifpolitik zuständige IG-Metall-Sekretär Klaus Helmerichs erklärte, daß mittels der Einführung der Viertagewoche Arbeitsplätze gesichert werden könnten, falls die Arbeitgeber bereit seien, einen Teil des Lohnausfalls zu bezahlen. Dagegen lag bei der Kundgebung in Reinickendorf das Schwergewicht lediglich auf der Forderung nach vorzeitiger Einführung der 35-Stunden- Woche bereits in diesem Jahr. Ursprünglich hatten die Tarifparteien die 35-Stunden-Woche erst für 1995 vereinbart.
IG-Metall-Bevollmächtigter Foede erklärte gestern, daß innerhalb der nächsten zwei Wochen weitere Warnstreiks bei Betrieben im Westteil Berlins stattfinden sollen. Am heutigen Dienstag ruht die Arbeit bei Siemens und Bosch. Hannes Koch
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