: IG Metall verweigert Überstunden
■ Zur Zeit wöchentlich fast eine Mio. Überstunden in baden–württembergischen Metallbetrieben / Jetzt will der Daimler–Benz–Betriebsrat mit gutem Beispiel vorangehen / 10.000 neue Arbeitsplätze in Sicht?
Aus Stuttgart Dietrich Willier
Mit einer einstimmigen Resolution beschloß gestern die große Tarifkommission des IG Metall– Bezirks Stuttgart, zukünftige Überstundenforderungen der baden–württembergischen Metallarbeitgeber generell abzulehnen. Letzten Informationen des Statistischen Landesamt Baden–Württemberg zufolge werden derzeit allein in den hiesigen Metallbetrieben wöchentlich fast eine Mio. Überstunden gemacht. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarktforschung der Bundesanstalt für Arbeit sind wenigstens ein Drittel der Dauerüberstunden in diesen Betrieben durch Neueinstellungen zu ersetzen; 10.000 zusätzliche Dauerarbeitsplätze immerhin. Kontroversen hatte es offenbar im Vorfeld des Beschlusses zur Überstundenverweigerung zwischen Betriebsräten von Daimler Benz und der IG Metall Bezirksleitung gegeben. Die Betriebsräte hatten eine zeitliche Begrenzung der Aktion gefordert. Nach dem einstimmigen Beschluß der Tarifkommission wird der Betriebsrat jetzt aber als erster einen Antrag der Geschäftsleitung auf Überstunden ablehnen. Die Metallarbeitgeber, so IGM–Bezirksleiter Eisenmann, hätten den Erfolg der zusätzlichen Arbeitsplätze nach der Arbeitszeitverkürzung in den vergangenen Jahren durch verstärkte Forderungen nach Mehrarbeit unterlaufen, die Verweigerung von Überstunden erfolge deshalb nicht nur partiell und kurzfristig. Es wäre verantwortungslos gegenüber Arbeitslosen, Überstunden weiter zuzulassen. Einen Erfolg des Überstunden boykotts verspricht man sich in der IG Metall vor allem bei den zahlreichen Zulieferbetrieben der großen Metallunternehmen der Elektro– und Automobilbranche. Dort sei die Zunahme der Mehrarbeit besonders exzessiv. Von dem Boykott nicht betroffen sind bereits in der Vergangenheit genehmigte Überstundenvereinbarungen. Genauer prüfen will man in Zukunft auch Anträge auf Überstunden in sogenannten Notfällen. Schlamperei in der Arbeitsorganisation oder die allgemeine Klage über Facharbeitermangel, so Eisenmann, seien kein solcher Notfall. Mit wenigen Gegenstimmen beschloß die große Tarifkommission der IG Metall außerdem ihre Lohn– und Gehaltsforderungen für die laufende Tarifrunde: Erhöhung der Löhne und Gehälter um 5 Sockelbetrag für die unteren Lohngruppen hatte man bewußt verzichtet) und Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 50 DM pro Ausbildungsjahr.
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