ICH-AG: DIE HOHEN ZAHLEN LASSEN HOFFEN : Chancen wie die Schauspieler
Frage: Was haben Langzeitarbeitslose und JungschauspielerInnen gemeinsam? Antwort: Nur wenige bringen es zu festen Engagements. Doch alle hoffen auf eine Chance, hier auf etwas Fürsprache, dort auf etwas Geld. Auch wenn viele künftig ihren Lebensunterhalt nicht selbst werden bestreiten können – diejenigen, denen es gelingt, die zählen.
So ist das bei KünstlerInnen und bei Arbeitslosen, und nur nach diesem Maßstab können Urteile über die Arbeitsmarktpolitik gefällt werden – zum Beispiel auch über die Ich-AGs. Mehr Erwerbslose als gedacht haben im Januar noch schnell ein Kleinunternehmen gegründet, bevor der Staat die Bedingungen verschärfte. Sozialpolitiker aus CDU und CSU wollen jetzt die Ich-AGs herunterfahren und verweisen auf Erwerbslose, die zwar die Subvention mitnehmen, am Ende aber doch wieder in der Arbeitslosigkeit landen.
Doch selbst unter den Abbrechern der Ich-AGler landet jeder dritte anschließend in einem festen Job. Eine so gute Bilanz konnten die klassischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die unter der schwarz-gelben Kohl-Regierung boomten, nie vorweisen. Dabei hat sich der Markt seit den stärksten Zeiten der ABM noch verschlechtert; der Anteil der Chancenarmen ist seither ununterbrochen gestiegen. Dazu gehören die 50-Jährigen, die wegen ihres Geburtsdatums kein Vorstellungsgespräch mehr bekommen, aber auch die 30-Jährigen, die selbst nach dem dritten Praktikum keine feste Stelle finden.
Eine „Politik für die Subjekte“ muss sich an diese Klientel wenden, selbst wenn sie nur eine subventionierte Selbstständigkeit anbieten kann. Denn der Arbeitsmarkt ist inzwischen so knallhart wie das Showbusiness. An dieser Realität kann keine Regierung mehr vorbei, gleich welcher Couleur. Auch Arbeitslose und Politiker haben dieser Tage etwas gemeinsam. Sie handeln oft aus Mangel an Alternativen – und es sind die kleinen Chancen, die zählen. Das wäre doch ein Motto für eine künftige Arbeitsmarktpolitik. Sie muss sich keineswegs leichtfertig und opportunistisch vom Erbe der Vergangenheit lossagen. BARBARA DRIBBUSCH