: I N T E R V I E W „Wir fordern ein Schuldbekenntnis“
■ Dr. Magdalene Bussmann, katholische feministische Theologin und Kirchenhistorikerin, zur Schuld der Kirche an der Hexenverfolgung
taz: Hat sich die Katholische Kirche als Institution je von den Ermordungen an Frauen während der Frühen Neuzeit distanziert. Magdalene Bussmann: Offiziell hat sich die Katholische Kirche bis heute nicht von der Hexenverfolgung und von der Ermordung der Frauen distanziert. Eine Stellungnahme, in der explizit die Ermordung der sogenannten Hexen als Schuld auch eingestanden wurde, liegt meines Wissens nicht vor. Was meinen Sie, woran das liegt? Wir Frauen spielen in der Kirche eine Rolle, die als äußerst gering eingeschätzt werden kann. Und die Kirche hat sowieso ein ganz schlechtes Gedächtnis, wenn es darum geht, Schuld auch in den eigenen Reihen zuzugeben. Thomas von Aquin, der große Scholastiker, Kirchenvater und Heilige, er hat im 13. Jahrhundert die Frauenmorde theoretisch mitvorbereitet. Dazu sagt die Katholische Kirche heute auch nichts. Nein, dazu sagt sie nichts. Und Thomas von Aquin liegt ja in einer bestimmten Welle der mittelalterlichen Theologie, die äußerst sexual– und damit frauenfeindlich geprägt ist. Und das Wort, das er von Aristoteles übernommen hat, daß die Frau ein mißratener Mann sei, das war damals gang und gäbe. Wie ist das, fordern die katholischen Frauen denn heute, daß die Kirche sich distanziert? Ja, sie fordern, daß endlich dieses Schuldbekenntnis offiziell gesprochen wird. Katholische und evangelische Frauen versuchen eben auch deutlich zu machen, daß es um der Glaubwürdigkeit der Kirche willen eine Pflicht ist, endlich die eigene Vergangenheit anzunehmen. Gibt es Antwort von höherer Seite? Offiziell ist noch nichts zu hören. Sie sind katholische Theologin und Feministin und haben einige Kritik an der Kirche. Wie geht das zusammen? Das geht schon zusammen, denn ich befinde mich in einer großen Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils, wo die Mündigkeit aller Laien behauptet und betont wird. Diese Mündigkeit nehm ich für mich als Christin, als Katholikin, als Theologin ernst. Es ist für mich wichtig, Erfahrung meinetwegen in der Initiative „Kirche von unten“, in Frauengruppen zu machen. Und das, was die Oberkirche tut und bewegt, das stört mich zwar und ärgert mich. Aber meine Möglichkeiten, mich kirchlich zu engagieren, die liegen eher im Bereich von Gruppen innerhalb der Kirche. Da sehe ich viele Möglichkeiten, und da machts auch Spaß, gemeinsam nach neuen Wegen in der alten Kirche zu suchen oder - anders gesprochen: ein anderes Gesicht von Kirche deutlich werden zu lassen. Was finden Sie denn heute noch gut an der Katholischen Kirche? Daß sie für mich eine Message hat, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt: Niemand darf den Menschen unterdrücken, kleinhalten - im Prinzip jedenfalls. Und daß diese „Ideologie“ für mich in keiner anderen Sinngemeinschaft angeboten wird. Das finde ich einfach faszinierend. Wollen Sie noch einen anderen Grund nennen? Ja, ich könnte auch jetzt als Historikerin sagen, es gibt keine Sinnanbetungsgruppe, keine Ideologie, keine Institution, die sich über die Jahrhunderte so bewährt hat, die alles integriert und wieder ausgesondert hat, die es immer verstanden hat, in der Zeit und mit der Zeit zu leben. Also trotz der extremen Frauenfeindlichkeit in der Katholischen Kirche? Die möchte ich nicht gesundbeten oder nivellieren. Die sehe ich. Aber ich suche nach Möglichkeiten, mit meinen Freunden und Freundinnen gemeinsam andere Möglichkeiten zu schaffen und Räume auch in der Kirche herzustellen. Und es gelingt ansatzweise. Es ist oft hart und mühsam vor allem, wenn man Krach bekommt mit den Institutionsträgern, aber ich möchte jetzt auch nicht das Feld so kampflos verlassen und dann eben der Reaktion alles überlassen.
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