: I N T E R V I E W „Was sollen wir denn machen?“
■ Der Berliner SPD–Partei– und Fraktionsvorsitzende Walter Momper über die Entscheidung seiner Partei, nicht den Rücktritt von Innensenator Kewenig (CDU) zu fordern, sondern an Diepgens Vernunft zu appellieren
taz: Die SPD fordert nicht den Rücktritt des Innensenators Kewenig... Momper: Doch. Na, wir bitten den Regierenden Bürgermeister, zu entscheiden. Der Regierende Bürgermeister muß sich doch entscheiden, ob er diesen Innensenator noch behalten will. Das heißt, sie appellieren nur an den Regierenden Bürgermeister, Vernunftgründe anzuerkennen? Nein, wir appellieren nicht, wir fordern ihn auf, im Interesse dieser Stadt, diesen Innensenator zu entlassen, weil der nicht in der Lage ist, die öffentliche Ordnung angemessen aufrecht zu erhalten. Nur wir wollen keine politischen Mittel benutzen, die letztendlich dazu führen, daß die Koalition sich mit diesem Innensenator solidarisiert, so daß dann die Ent lastungsfunktion eintritt: Mißtrauensvotum abgelehnt, Herr Kewening kann weiter machen. So ein Appell ist ja nun unverbindlich. Ich weiß nicht, was eine verbindlichere Form ist. Ich denke, daß das eine wirksamere Form ist. Sie hoffen, daß sich die FDP jetzt an den Rechtsstaat erinnert? Ich schließe das nicht aus. Wenn ein ganzer Stadtteil, wie am Freitag, in Belagerungszustand versetzt wird, ist es dann ausreichend, mit einem Appell zu antworten? Ist das die Verhältnismäßigkeit der politischen Mittel? Was schlagen Sie denn vor? Ich frage Sie! Fällt Ihnen nicht mehr ein? Doch, eine ganze Menge. Man muß erst einmal nach den Ursachen der Gewalt fragen. Man muß eine politische Konzeption dagegen setzen. Unsere Konzeption ist, daß es nicht sein kann, daß ein relativ kleiner Kreis von Gewalttätern Berlin in weiten Teilen lahmlegt. Die Reaktion muß differenziert sein... Sie sind erklärter Kreuzberger. Müßten Sie nicht als Betroffener die Öffentlichkeit mobilisieren. Wir haben übers Wochenende versucht, unsere Stellungnahmen öffentlich zu machen. Nur die Suche nach den Ursachen von Gewaltanwendung führt zum politischen Erfolg. Mit einer Rücktrittsforderung ist das doch überhaupt nicht getan. Sie wollen von mir immer weitergehende Maßnahmen hören. Da soll Kewenig zurücktreten und als weiterer Schritt soll etwa Diepgen zurücktreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen