■ Hundert Tage für Panić sind noch nicht genug: Machtkampf in Serbien
Als der „Amerikaner“, der US-Staatsbürger und Geschäftsmann Panić, vor hundert Tagen das Amt des Ministerpräsidenten Rest-Jugoslawiens antrat, gaben auch Experten dem Mann kaum ein Chance, seine vollmundig abgegebenen Versprechungen für die Beendigung des Krieges einzulösen. Denn Panić' Spielraum schien sehr eng zu sein. Gewählt von einem Parlament, das mit großer Mehrheit auf das Kommando des serbischen Präsidenten Milošević hört, schien es sich bei seiner Wahl lediglich um einen geschickten Schachzug des Meisters selbst zu handeln. Die Figur des weltläufigen Panić beruhigte die Gemüter der Opposition, die im Juni mit Massendemonstrationen Milošević stürzen wollte. Und der „Amerikaner“ verbaute dem Mann der Opposition, dem „Briten“, dem Thronprätendenten Aleksandar Karadjordjević, die Rückkehr nach Belgrad. Durch Panić' Nähe zu dem damaligen Staatssekretär und heutigen amerikanischen Außenminister Eagleburger, der ja Freund und Geschäftspartner Panić' sein soll, durfte auch mit Erfolgen gerechnet werden, um die außenpolitische Isolation Serbiens zu durchbrechen.
Zwar hat Panić in diesen hundert Tagen sein Versprechen nicht eingelöst, die Politik Serbiens völlig umzukrempeln. Er hat aber mehr geleistet, als nur den Anforderungen Milošević' gerecht zu werden. Seine öffentlich — auch im staatlichen Fernsehen — geäußerte Kritik an Milošević, seine Forderungen nach Neuwahlen, seine Kritik an den großserbischen Träumen, sein Eintreten für die Demokratisierung, sein Dialog mit Albanern, Ungarn und Sandzakmoslems, sein Auftreten bei internationalen Institutionen sind in der serbischen Öffentlichkeit nicht ohne Wirkung geblieben. Ohne feste Machtbasis im Apparat, ohne Kontrolle über die Armee, ohne eine große politische Partei im Rücken ist es Panić gelungen, auch in Serbien populärer als Milošević zu werden. Er nutzte den geringen Spielraum aus, den er hat: Rest-Jugoslawien würde ohne ihn noch mehr in die Isolation getrieben werden.
Die Reaktion des national-sozialistischen Apparates erschöpfte sich am Samstag jedoch im trutzigen Bekenntnis zu Milošević. Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Fragwürdigkeit der Wahl des Präsidenten zum Parteiführer zeigt der Vorgang auch, wie wenig von den Gerüchten über den Rückzug Miloševićs aus der Politik zu halten ist. Auch wenn es eine diesbezügliche Absprache zwischen der serbischen Elite, deren Protagonist Rest-Jugoslawiens Staatspräsident Čošić ist, und dem serbischen Präsidenten gegeben haben sollte, so ist sie jetzt gebrochen. Der Apparat weiß, daß er ohne Milošević verloren ist. Hoffentlich weiß Čošić, daß er an Panić festhalten muß. Erich Rathfelder
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