: Hühner-Zerfleischung
■ F.M. Einheit, Brötzmann und Babylon auf Kampnagel
Schon befürchtete man die autonomen TierschützerInnen auf der Bühne, um dem Mord von 50 Hühner vorzubeugen. Doch umsonst wäre ihr Engagement gewesen, es kamen lediglich tiefgefrorene Hühner zum Einsatz für die Performance am Freitag abend auf Kampnagel, die zu Ehren des kürzlich verstorbenen österreichischen Dramatikers Werner Schwab stattfand.
Während der Neubauten-Schlagzeuger und -Percussionist F.M. Einheit sowie der Hamburger Gitarrist Caspar Brötzmann brachiale Lärm-Dialoge intonierten, zerteilte Peter Kreider besagte Hühner in Einzelteile, um sie organweise getrennt in Fleisch-Haufen aufzutürmen. Barbara Neureiter, Regisseurin der Gruppe Babylon, zu der auch Kreider gehört, verlas in der Zwischenzeit ausgewählte Prosa-Texte von Schwab.
Die einmalige Veranstaltung, die in der Kampnagel-Reihe Junge Hunde im Mai lief, integrierte multimedial das, was inhaltlich stets das Gleiche will: Das brutale Auseinanderreißen des harmonisch Geformten, der Natur, oder was oft dafür gehalten wird und in der bürgerlichen Kultur das Schöne genannt wird.
So distanziert sich Kunst vom vermeintlich natürlich Gewachsenen und schafft Neues, so verwandelt sich Musik in vermeintlichen Krach, schöngeistige Literatur in ein Sprach-Schlachtfeld und darstellende Bühnenaktivität in Zerstörung. Getreu nach Goethes Mephisto: „Ich bin der Geist, der stets das Gute will und Böses schafft.“ Aber eben dadurch kann Neues entstehen.
taz
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