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Hotel Nostalgia

■ Neu im Cinema: „Zwischensaison“, über eine wundersame Jugend im Grand Hotel

Aus ihren Kindheitserinnerungen hat eine Handvoll von Regisseuren wehmütig verträumte Filme geschaffen, die jeweils zu ihren Besten gehören: Fellinis „Amarcord“, Woody Allens „Radio Days“, John Boormans „Hope and Glory“ sowie Bergmans „Fanny und Alexander“ sind zugleich heilos nostalgisch und wahr, weil man bei jedem Detail die ganz persöhnliche Erfahrung des Autoren fühlt. Der Regisseur Daniel Schmid erzählt in „Zwischensaison“ ganz ähnlich von seiner Jugend in einem schweizer Grand Hotel.

Während Sami Frey als Erzähler durch das verlassene Hotel wandelt, folgen wir seinen Traumreisen in die Vergangenheit, in der die Salons angefüllt war mit feinen Damen, merkwürdigen Stammgästen und kuriosen Geschichten. Frey sieht sich hier selber als den kleinen Jungen Valentin, der mit großen, immer verwunderten Augen das Hotel als sein Welttheater entdeckte, in dem der Frisiersalon ein „Raum der verbotenen Erkenntnisse“ war und die Großmutter erzählt, wie die große Sarah Bernhardt den Großpapa verführte.

Aus Episoden, kurzen Charakterskizzen, manchmal nur Gesprächsfetzen die der Junge aufschnappt, ohne sie selber ganz zu verstehen, schafft Schmid liebevoll und ironisch ein opulentes Portrait dieser „Zauberberg“-Gesellschaft.

Dabei hat er eine sehr unterhaltsame Vorliebe für bizarre Typen und schräge Gesichter. Geraldine Chaplin hat einen kurzen, aber heftigen Auftritt als russische Anarchistin, Ulli Lommel hat als Hotelzauberer Malini genau die richtige Portion Schmalz in seinem Auftreten und Arielle Dombasle ist eine gefährliche, schon fast verlebte Blondine mit einem Blick, der dem kleinen Valentin fast die Unschuld raubt. Ingrid Caven, wohl die bedeutenste Falschsängerin unserer Zeit, bringt als Barunterhalterin verwegene Interpretationen von Schnulzen wie den „Caprifischern“. Aber auch diese Prise schlechten Geschmacks präsentiert Schmid zugleich komisch und zärtlich verklärt.

Maria Maddalena Fellini, die Schwester von Federico, spielt die energische Großmutter und Chefin des Hotels und zu ihren Erzählungen kommen wir zusammen mit Valentin immer wieder zurück. Auch die anderen Frauen geben ihm Geborgenheit und verwöhnen ihn (für den Kritiker Wolfram Knorr ist der ganze Film „Schmids Rückkehr ins Reich der Frauen“) und so ist „Zwischensaison“ neben einer wunderschönen Erinnerung an die stilvollen alten Zeiten auch ein Traum vom mütterlich umsorgt. Wilfried Hippen

Cinema, Ostertorsteinweg 105, täglich um 18.45 Uhr

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