Honeckers Bunker für Besucher geöffnet: Der unterirdische Palast der Republik
Erstmals kann man den Atombunker von Erich Honecker besichtigen. Die Anlage im Norden von Berlin ist so groß, dass der DDR-Staatschef selbst erschrocken gewesen sein soll.
Im Ernstfall wären sie unter die Erde verschwunden. Hätte der Westen den Osten tatsächlich angegriffen, Erich Honecker und der Nationale Verteidigungsrat der DDR wären in einer enormen Bunkeranlage nicht weit von Wandlitz nordöstlich von Berlin durch einen kleinen Eingang geschlüpft. Zwischen meterdicken Betonwänden hätten sie Schutz gesucht. Vor chemischen und biologischen Waffen oder Atombomben. Die Welt um sie hätte in Asche liegen können, vom Bunker aus wollten sie die DDR weiter führen.
Der Notfallplan wurde - zum Glück - nie Wirklichkeit. Heute ist der Honecker-Bunker ein Zeugnis des Kalten Krieges, das man erstmals auch besichtigen kann. Der Verein "Berliner Bunker Netzwerk" (BBN) hat sich der seit den Neunzigerjahren verschlossenen Anlage angenommen und macht nun Führungen.
In Jeans und Hemd läuft Falko Schewe den Gang hinunter. Auf dem Boden liegt staubiges Linoleum, braun-beige Tapeten hängen von den Wänden. Der Schimmel hat sich teils zentimeterdick darauf festgesetzt. Der 44-Jährige schaut sich um. "Früher sahen die Räume natürlich viel besser aus. Aber sonst hat sich nicht viel verändert", sagt er.
Schewe kennt alles hier. Die dicken Stahltüren, die engen Gänge, die Duschen, in denen man mögliche Verseuchungen abwaschen sollte. Als Nachrichtentechniker des Ministeriums für Staatssicherheit kümmerte Schewe sich vor der Wende um die Telefonanlagen im Bunker. Das Objekt sei rund um die Uhr besetzt und immer voll in Betrieb gewesen, erzählt er. "Hüben und drüben standen schließlich Raketen."
Gebaut wurde der Bunker zwischen 1978 und 1983. "Man wollte den Anlagen der Bundesregierung im Westen etwas entgegensetzen", berichtet Sebastian Tenschert vom BBN. Dafür setzte die DDR ungeheure Summen in den märkischen Sand: Zirka 230 Milliarden Ost-Mark habe der Bau des gesamten Areals gekostet, sagt Tenschert. Das sei deutlich mehr gewesen, als man beispielsweise für den Bau des Palasts der Republik benötigte.
So entstand eine unterirdische Welt mit einer Großküche, Schlafgelegenheiten, einer riesigen Klimaanlage. Um Schwankungen bei Explosionen abzufangen, hingen ganze Gebäudeteile an Stahlträgern. Wenn nötig hätten im Bunker rund 400 Personen 36 Stunden ohne Luftzufuhr von außen ausharren können, erzählt Tenschert. Nach einem Atomschlag sollte der Nationale Verteidigungsrat sogar 14 Tage unter der Erde bleiben.
Von Honeckers Arbeitszimmer ist nicht viel geblieben, ein leerer Raum mit bräunlicher Tapete. Mehrfach wurde in den Bunker eingebrochen, Einrichtungsgegenstände wurden geklaut. Früher sollen im benachbarten Lagezentrum Sessel und Tische gestanden haben, mit kleinen Lampen darauf. Von hier aus hätte der Staatschef per Fernseh- und Radioübertragung zu seinem Volk sprechen sollen. Heute sind die Wände kahl, der rot-braune Teppich ist zerrissen.
Es heißt, Honecker selbst sei nur einmal im Bunker gewesen, zur Eröffnung. Er soll entsetzt gewesen sein angesichts der Monstrosität der Anlage, berichtet Tenschert. Laut( )Augenzeugen habe er sich ziemlich schnell wieder aus dem Staub gemacht.
Die Bundesregierung konnte mit dem Bunker nach der Wende nichts anfangen. Man verschloss den Zugang mit Beton. Erst der Berliner Verein hat die Anlage wieder etwas hergerichtet und in den vergangenen zweieinhalb Jahren auch genau dokumentiert.
Drei Monate lang soll der Bunker für Besucher offen stehen, dann wird er erneut versiegelt - mit dem Geld, das der Verein bei den Führungen einnimmt. Für den Tourismus rechne sich der Betrieb auf Dauer nicht, sagt Tenschert. "Wegen der Sicherheitsauflagen müsste man Millionen investieren." Was bleibt, ist ein grüner Hügel im Kiefernwald.
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